Kennen Sie das, wenn sich die Schulter plötzlich wie «eingefroren» anfühlt? Wir erklären, wie es zu dem Phänomen Frozen Shoulder kommt und was sich dagegen tun lässt.
Text: Tine Bielecki
Das Schultergelenk ist neben dem Kniegelenk eines der beweglichsten Gelenke in unserem Körper und wird häufig als «kompliziertes» Gelenk bezeichnet. Das liegt daran, dass die Gelenkpfanne im Verhältnis zu ihrem Gelenkpartner, dem Oberarmkopf, sehr klein ist. Das macht die Schulter anfällig für Instabilität und Ausrenkungen – und damit anfällig für Verletzungen.
Schaut man sich die Anatomie der Schulter genauer an, lässt sich aber auch feststellen, dass das Schultergelenk nur von Muskeln und Sehnen gehalten wird. Viele Muskeln ziehen von verschiedenen Punkten des Schulterblatts, der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule zum Hauptgelenk. Dort laufen sie in Sehnen aus, die den Gelenkkopf des Oberarmknochens nahezu komplett umschliessen. Das gesamte Gelenk ist somit seitens der Schultersehnen von einer Art «Sehnen-Kappe» umfasst, der Rotatorenmanschette. Ein Grossteil der Schulterfunktion wird also von Weichteilen wie Muskeln, Bändern, Sehnen und knorpeligen Strukturen mitbestimmt. Die Anfälligkeit für Ausrenkungen, die im Fachjargon Luxationen heissen, muss durch die Rotatorenmanschette ausgeglichen werden
Viele Schulterschmerzen hängen nicht mit einer tatsächlichen strukturellen Schädigung im Bereich des Gelenks zusammen. Häufig entstehen Schmerzen durch Fehlhaltungen, Störungen im Zusammenspiel der verschiedenen Strukturen und Dysbalancen sowie Instabilität. Stabilität im Schultergürtel ist also ausgesprochen wichtig. Kaum jemand denkt im Alltag jedoch daran, stabilisierende Übungen für die Schulter einzubauen. Meistens gehen wir das Problem mit der Schulter erst an, wenn bereits Schmerzen aufgetaucht sind. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie gibt an, dass rund 70 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben mit Schulterschmerzen zu kämpfen hat.
Eine der häufig auftretenden Schulterbeschwerden ist die sogenannte Frozen Shoulder. Die Gelenkkapsel des Schultergelenks, die aus Bindegewebe und Bändern besteht, kann im Rahmen von Entzündungsprozessen verdicken und an Elastizität verlieren. Durch die Entzündung der Gelenkschleimhaut und Gelenkkapsel kommt es bei der Frozen Shoulder im Schultergelenk zu starken Schmerzen und im weiteren Verlauf zu Bewegungseinschränkungen, die beträchtlich sein können. Der betroffene Arm lässt sich dann nicht mehr heben. Darum spricht man von der «eingefrorenen Schulter». Ursache ist die Schrumpfung der Gelenkkapsel, was meistens durch die Entzündung hervorgerufen wird. Etwa 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung leiden unter einer Frozen Shoulder; Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer. Die Frozen Shoulder tritt vor allem bei Menschen ab einem Alter von 40 Jahren auf

Eine strukturierte Physiotherapie für die Frozen Shoulder sollte erst erfolgen, wenn sich die anfänglichen Schmerzen weitgehend gelegt haben (Frozen-Phase). Sie umfasst Dehnungsübungen, Krafttraining, ab der Erholungsphase auch gegen Widerstand sowie Bewegungsübungen, Massagen und Triggerpunkt-Therapie. Als Therapiedauer werden anfänglich zwölf Wochen empfohlen.
Die Schulter beginnt bei den Betroffenen zunächst ohne erkennbaren Grund, häufig auch schleichend, zu schmerzen. Im Verlauf der Krankheit ist die Beweglichkeit zunehmend eingeschränkt, und das Schultergelenk wird immer steifer. Meist ist nur eine Seite «eingefroren». In besonders schweren Fällen kann es sein, dass Betroffene ihren Arm gar nicht mehr heben können. Die gute Nachricht: Eine Frozen Shoulder verschwindet häufig von selbst wieder. Und: 90 Prozent der Fälle können mit konservativen Methoden behandelt werden. Allerdings kann der Verlauf der Heilung zwischen einem und drei Jahren dauern. Und 10 bis 20 Prozent der Betroffenen behalten dauerhafte Einschränkungen. Je nach Status der Verletzung können Physiotherapie und selbst durchzuführende Übungen Abhilfe schaffen.
Wie genau es zu einer «eingefrorenen Schulter» kommen kann, ist nicht klar. Es wird zwischen der primären und der sekundären Frozen Shoulder unterschieden. Bei Ersterer gibt es keinen offensichtlichen Auslöser. Vermutlich ist hier eine Entzündung die Ursache. Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen und Autoimmunerkrankungen können das Risiko für eine Frozen Shoulder erhöhen. Bei der sekundären Form ist eine Erkrankung, Verletzung oder Operation der Auslöser.
Bewegung ist für die Gesundheit der Schulter absolut wichtig. Wer unter enormen einseitigen Belastungen leidet, sollte daher unbedingt einen Ausgleich für die alltäglichen Bewegungsmuster finden. Das heisst, alle möglichen Gelenkwinkel der Schulter sollten auch genutzt werden. So beugen wir der Frozen Shoulder am besten vor respektive tragen zu ihrer Heilung bei. Bewegung regt den Stoffwechsel an, und wenn der Stoffwechsel von Gelenk und Schleimbeutel wieder hochfährt, wird die Kapsel besser durchblutet. Das führt dazu, dass das entzündete Bindegewebe sich regenerieren kann. Sind die Schmerzen stark, sollte allerdings unbedingt zunächst eine Ärztin oder ein Physiotherapeut zu Rate gezogen werden. Je nachdem, in welchem Stadium die Frozen Shoulder ist, können diverse Übungen helfen.
Einfache Übungen zur Schultermobilisation:
I. Diese Übung kann im Sitzen oder Stehen ausgeführt werden. Wenn Sie sich hinsetzen möchten, achten Sie darauf, dass beide Füsse am Boden stehen. Heben Sie beide Arme über die Seite an, und lassen Sie Ihre Handflächen dabei nach innen zeigen. Wenn die Arme angehoben sind und die Fingerspitzen zur Decke zeigen, Handflächen nach aussen drehen und Arme wieder nach unten führen. Vorgang im Wechsel für die Dauer von 1 Minute durchführen.
II. Legen Sie sich auf einer Fitnessmatte auf den Rücken. Strecken Sie die Arme gerade nach oben Richtung Decke aus. Achten Sie darauf, dass Ihre Handgelenke auf einer Linie mit den Schultern stehen. Nun einatmend die Schultern anziehen, der Kopf bleibt entspannt am Boden liegen; die Fingerspitzen schieben Sie nach oben Richtung Decke. Mit der Ausatmung ziehen Sie Ihre Schultern wieder Richtung Boden. Wiederholen für etwa 30 Sekunden.
III. Kräftigende Übung zur Schultermobilisation: Setzen Sie sich auf eine Fitnessmatte. Die Hände stehen hinter der Hüfte, die Finger zeigen nach hinten. Die Füsse sind aufgestellt. Nun wandern die Finger immer weiter nach hinten. Lassen Sie die Arme nach hinten wandern. Man darf versuchen, sich immer weiter in die Dehnung hineinzubegeben und mit den Handflächen dann in den Boden zu drücken. Achten Sie bei dieser Übung aber darauf, wie Sie sich fühlen, und gehen Sie immer nur so weit, wie es gut erträglich ist.
Fortgeschrittene Übung zur Schultermobilisation:
Setzen Sie sich auf die Fitnessmatte am Boden. Strecken Sie Ihre Beine nach vorne aus. Stellen Sie Ihre Hände hinter den Hüften am Boden ab, die Finger zeigen nach vorne. Beine beugen und Füsse hüftbreit geöffnet nebeneinander aufstellen. Drücken Sie Füsse und Hände in den Boden und heben Sie mit der Ausatmung das Becken an. Schieben Sie Ihre Hüfte so hoch, bis Ihr Oberkörper parallel zum Boden in der Luft schwebt. Ziehen Sie Ihre Schulterblätter aufeinander zu. Mit der Ausatmung das Gesäss nach unten schieben, als wolle man zurück in die Ausgangsposition gehen, jedoch ohne den Po am Boden abzusetzen. Bauchnabel nach innen ziehen, und die Hände fest in den Boden drücken. Die Arme sind angespannt. Mit der Einatmung zurückschieben. Mindestens 5-mal wiederholen.
Arnika, Brennnessel oder Beinwell können z.B. in Form von Auflagen, Wickeln oder Einreibungen Linderung verschaffen. Bewährt hat sich auch die Gabe von pflanzlichen Heilmitteln, z.B. Teufelskralle. Einen Versuch wert ist zudem die Fussreflexzonentherapie: Die betroffene Schulter wird dabei über die entsprechende Reflexzone am Fuss behandelt.
