«Rhassoul» heisst ein altorientalisches Bade- und Reinigungsritual, das in Europa immer beliebter wird. Ingredienzen sind Wasser, Wärme und Mineralerde aus Marokko.
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Der Name Rhassoul geht zurück auf das arabische Wort «waschen», und ausgiebige Reinigungszeremonien haben im Nahen Osten eine lange Tradition. Speziell in Tunesien und Marokko sind mineralhaltige Tonerden zum Waschen von Haut und Haaren beliebt.
Im marokkanischen Atlasgebirge trägt ein ganzer Berg den Namen der dort vorkommenden Mineralerde: Der Djebel Rhassoul ist das Zentrum des weltweit einzigen Abbau-Gebiets der originalen Rhas- soul-Erde. Es handelt sich um ein Sedimentgestein, das vor Millionen von Jahren aus einem See entstand: Die natürlichen Ablagerungen sowie eingetragenes Vulkangestein auf dem Grund des Sees wurden durch später hinzukommende Erdschichten überdeckt und so fest zusammengepresst, dass es hart wurde wie Stein. Da die Substanzen schon seit einer halben Ewigkeit unberührt unter der Erde liegen, sind sie frei von Rückständen. Heute werden die mineralreichen Ablagerungen mit dem Namen Rhassoul im Untertagebau gewonnen. Die Gesteinsbrocken werden ans Tageslicht transportiert, sortiert, gewaschen und in der Sonne wieder getrocknet.
Die Provinz, in der die Rhassoul-Erde gewonnen wird, heisst Boulemane, und sie gehört seit dem Jahr der Unabhängigkeit 1956 dem marokkanischen Staat. Seit dieser Zeit vergibt der Staat alle sechs Jahre die Lizenz für den Abbau neu – bisher an eine einzige Firma, die der Familie Sefrioui. Das Abbau-Gebiet ist über 25 000 Hektar gross, und die jährliche Ausbeute liegt laut marokkanischen Angaben bei etwa 3000 Tonnen. Sechzig Prozent davon gehen mittlerweile in den Export. Einige Stollen aber gehören der marokkanischen Königsfamilie und sind exklusiv für deren privaten Gebrauch reserviert.
Autorin: Gisela Dürselen, 10/14
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Die Rhassoul-Erde, die in Bergwerken von Boulemane gewonnen wird, ist reich an Mineralien und Spurenelementen. Besonders hoch ist der Gehalt an Magnesium und Silizium (Kieselsäure); bei weiteren Untersuchungen fanden sich ausserdem Zink, Kalzium, Kalium, Eisen, Natrium und Provitamine. Für die Kosmetik interessant ist vor allem der hohe Anteil an Kieselsäure, weil diese die Haut tiefenreinigt, Schadstoffe bindet und den Aufbau neuer Zellen fördert.
In den Handel kommt die Rhassoul-Erde in kleinen Stücken, meist aber schon zu Pulver vermahlen. Bei der Anwendung wird das Pulver mit Wasser zu einem Brei angerührt. Die Körnung der Masse wirkt wie ein sanftes Peeling. Da sich bei diesem Vorgang die Poren weit öffnen, können Mineralien und Spurenelemente in die Haut eindringen, sie nähren und glatt und geschmeidig machen.
Laut den Angaben mehrerer Anbieter von Rhassoul-Produkten hat diese Art von Peeling mehrere Vorteile: Es reinigt, ohne den Säureschutzmantel der Haut anzugreifen; es entfernt überschüssiges Fett und schuppt alte Hautzellen ab; schliesslich resorbiert es Schadstoffe, regt den Stoffwechsel an und verbessert die Durchblutung. Das Prozedere soll auch das Unterhautgewebe festigen und das Immunsystem stärken. Ausserdem soll eine Be- handlung mit Rhassoul-Erde Keime auf der Haut sowie Entzündungen hemmen – daher wird die Substanz besonders bei empfindlicher und zu Allergien neigender Haut empfohlen. Bei stark entzündeten, offenen und nässenden Ausschlägen wird jedoch zur Vorsicht geraten, denn die Mineralien könnten die Haut zusätzlich reizen. Der Mineraliengehalt ist auch der Grund, warum die Masse nicht mit Metall in Kontakt kommen soll.
Der Name Rhassoul (auch Ghassoul geschrieben) steht aber nicht nur für das Sedimentgestein aus Marokko – «Rhassoul» ist mehr: ein sinnlicher Genuss, eine Erholung für die Nerven, und ein festes Ritual, wie es üblicherweise in türkischen Dampfbädern zelebriert wird. Wasser und Wärme spielen dabei eine grosse Rolle: Denn nur mit ihrer Hilfe können sich die Inhaltsstoffe aus der Paste lösen und in die Haut eindringen.
Herz- und Kreislaufpatienten wird allerdings zur Vorsicht geraten, weil der Badespass mit Wärme und hoher Luftfeuchtigkeit verbunden ist.
Klassisch ist das Ritual in drei Abschnitte aufgeteilt.
Phase 1: Nach einer Reinigungsdusche geht man in einen Warmbaderaum (40 bis 50 Grad Celsius) und trägt die Rhassoul-Masse in verschieden grober und feiner Körnung auf die Körperpartien auf – Gesicht, Ellbogen, Hände, Füsse und restlicher Körper bekommen meist unterschiedlich feine Pasten. Dann trocknet die Wärme die Tonerde auf der Haut etwas an.
Phase 2: Jetzt dringt ein durch Kräuter aromatisierter Dampf in den Baderaum ein. Die Pasten auf der Haut werden wieder cremig und feucht und können mit kreisenden Bewegungen in die Haut eingerieben werden. Die hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt das Schwitzen. Damit ist der Austausch perfekt: Die Haut entlässt Stoffe nach aussen, und die Mineralstoffe dringen ins Gewebe ein. Nach zirka 20 Minuten prasselt ein warmer Regen auf die Badenden und wäscht den Schlamm wieder ab.
Phase 3: Die Zeremonie wird meist mit einer wohligen Massage mit einem pflegenden Körper-Öl abgeschlossen.
Das gesamte Ritual ist ein unvergessliches Erlebnis – aber wer kann schon regelmässig in ein türkisches Dampfbad gehen? Darum ist es gut, dass sich die marokkanische Mineralerde auch bequem zu Hause anwenden lässt. Das Rhassoul-Pulver wird einfach mit warmem Wasser verrührt, bis sich eine zähe Paste ergibt. Der marokkanische Kosmetikhersteller «Marrakech Dream» empfiehlt dazu die Verwendung von Rosen- oder Orangenwasser.
Eine Haarbehandlung wirke vor allem gut bei fettigem Haar, weil die Tonerde die Produktion von Talg reguliere, heisst es. Die angerührte Paste massiert man zart von der Wurzel in Richtung Spitzen in die Haare ein, dann lässt man das Ganze eine viertel Stunde in einem warmen Handtuch einwirken, spült und setzt beim letzten Spülvorgang dem Wasser den Saft einer halben Zitrone hinzu.
Eine weitere Möglichkeit ist das Anrühren des Pulvers mit Eigelb. Bei sehr trockenem oder chemisch geschädigtem Haar oder auch bei sehr trockener Haut empfehlen mehrere Anbieter den Zusatz eines Spritzers hochwertigen Öls, z.B. Jojoba- oder Arganöl.
Inzwischen gibt es auf dem Naturkosmetik-Markt eine Reihe aufbereiteter Rhassoul-Produkte, die nicht mehr extra zu einer Paste verrührt werden müssen: So bietet beispielsweise die dänische Firma Urtekam Haar-Shampoos an; die deutsche Firma Alva verkauft Wasch- und Hautcremes, Gesichtswasser, antibakterielle Pickeltupfer und fertige Peeling-Masken mit Rhassoul-Erde. Im Handel sind auch Bio-Kosmetikprodukte mit Rhassoul und weiteren Bestandteilen: etwa ein Balance-Shampoo mit Neem und Rhassoul-Erde von der Schweizer Firma Farfalla und ein Anti- Schuppenshampoo aus Wacholder, Salbei und Rhassoul von der Serie «Cosmo Naturel» des französischen Bio-Herstellers Laboratoire Gravier.
Die Wirksamkeit von mineralhaltigen Erden ist schon lange bekannt: Im alten Ägypten dienten die Schlämme des Nils zur Schönheitspflege; im antiken Griechenland waren Therapien mit lehmigen Erden selbstverständlich; der berühmte persische Arzt des Mittelalters, Avicenna, beschrieb in seinem Medizinlehrbuch «Canon medicinae» die entgiftenden Eigenschaften von Mineralerden; und auch Pfarrer Kneipp empfahl gerne ähnliche Kuren. Entsprechend der Gegend, aus der die Mineralerden stammen, haben sie eine besondere Zusammensetzung – und eine eigene, unverkennbare Färbung: von Weiss bis Schwarz, von Rot bis Grün. Nur ein paar Erden wie die grüne Illite aus Frankreich können auch zur innerlichen Anwendung eingenommen werden.
Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie wasserdurchlässig und reich an Mineralien sind und ausserdem in unterschiedlichen Graden toxische Substanzen absorbieren können. Die originale Rhassoul-Erde aus Marokko in den Nuancen von einem rötlichen Dunkelbraun bis hin zu hellem Beige soll im Vergleich zu anderen Mineralerden besonders gut Schadstoffe aus der Haut absorbieren können.