Wallwurz, auch Beinwell genannt, verweist bereits in seiner Bezeichnung auf die Hauptindikation: Beide Namen gehen auf das Verb «wallen» zurück, also «zusammenwachsen». «Bein» bedeutet ursprünglich «Knochen». Und so taucht die Pflanze in der Medizingeschichte von der Antike bis heute zuverlässig auf, wenn es um gebrochene Knochen geht.
Autorin: Andrea Pauli
Wallwurz ist sehr vielseitig eingesetzt. Seit Jahrhunderten wird er z.B. als Wundheilmittel verwendet. Daneben gab es eine Liste weiterer Leiden, bei denen Wallwurz eingesetzt wurde, etwa Lungen- oder Darmkrankheiten, zu starke Menstruation, Leistenbrüche oder Zahnfleischvereiterung. Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen sowie schmerzhafte Muskel- und Gelenkbeschwerden sind heute die gängigen Indikationen für den Einsatz von Wallwurz, meist in Form von Salben. Wurzel und Kraut fördern u.a. die Granulation, d.h. die Bildung von neuem Bindegewebe in einer Wunde sowie die Epithelisierung, die letzte Phase der Wundheilung. Zudem regt Symphytum die Kallusbildung an, also die Bildung neuen Knochengewebes, das der Heilung und Überbrückung der Fraktur (des Bruchs) im Knochen dient.
Doch was ist es nun genau, das im Wallwurz so erstaunlich heilend wirkt? Als wichtigste Inhaltsstoffe gelten Allantoin, Schleime, Gerbstoffe und Kieselsäure. Längst sind nicht alle Wirkstoffe und Wirkmechanismen der Pflanze erforscht.
Allantoin ist aus der Kosmetik bekannt: Der Wirkstoff regeneriert und glättet die Haut und regt das Wachstum neuer Zellen an. Zudem unterstützt er die sogenannte Epithelbildung (Epithele sind mehrlagige Zellschichten). Und er hat die Fähigkeit, abgestorbenes Gewebe zu entfernen und damit Platz für neue Zellen zu schaffen, was die Regeneration der Haut ankurbelt. Allantoin wirkt ausserdem kühlend und abschwellend und sorgt gemeinsam mit dem weiteren Inhaltsstoff Cholin für einen raschen Rückgang von Schwellung und Schmerz (Cholin trägt auch dazu bei, dass Blutergüsse schneller abheilen). Allantoin kommt in allen Pflanzenteilen des Wallwurz vor; der Gehalt variiert je nach Jahreszeit und Standort der Pflanze.
Reich an Schleimstoffen ist in erster Linie die Wurzel. Schleime gelten als beruhigend und abschwellend, entzündungshemmend und immunstärkend; zudem helfen sie, Giftstoffe aus der Wunde abzutransportieren. «Beinwellschleim enthält viel Lysin. Die basische Aminosäure ist an der Bildung von Hormonen und Antikörpern sowie Kollagen beteiligt», schreibt Phytotherapeutin Regine Ebert in ihrem Buch «Beinwell. Knochenheiler aus der Pflanzenwelt. Anwendungen in Heilkunde, Küche, Kosmetik und Garten».
Die Gerbstoffe im Wallwurz bekämpfen schädliche Keime und wirken wundstillend. Ein gut bioverfügbarer Gerbstoff ist die Rosmarinsäure, die von der Pflanze zur Abwehr von Frassfeinden gebildet wird. Sie wirkt teilweise antiviral, antibakteriell, entzündungshemmend und antioxidativ.
Kieselsäure ist vor allem in den oberirdischen Pflanzenteilen enthalten. «Bis zu vier Prozent davon enthält Beinwell, zum grossen Teil in einer gut wasserlöslichen Form», so Regine Ebert. Der Wirkstoff stärkt Gefässe, Haut, Muskeln und Knochen und fördert die Geweberegeneration.
Nachgewiesen wurden noch eine Reihe weiterer Wirkstoffe, darunter Proteine, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. «In der Wurzel befinden sich antibakteriell wirkende Triterpensaponine (Symphytoxid A), Flavonoide und ein entzündungshemmendes Glykopeptid», schreibt Regine Ebert.
In vitro wie auch mit klinischen Studien belegt ist der Nutzen von Wallwurz bei diversen schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei Myalgien. Das zeigt eine Übersichtsarbeit, die wissenschaftliche Artikel über Wallwurz zwischen 1956 und 2018 durchforstete. Schmerzstillende Effekte einer Symphytumsalbe zeigten sich in Studien dem Placebo deutlich überlegen, ebenso wie einer gängigen Schmerzsalbe mit dem Wirkstoff Diclofenac (hier ging es um Verletzungen des Sprunggelenkes). Antimikrobielle Effekte von Wallwurz gegen Mikroorganismen sind in vitro (Studien mit Zellkulturen) bestätigt; ausserdem antioxidative, pilzabtötende und antibakterielle Wirkungen der Pflanze (die entsprechenden Untersuchungen betrafen die Blätter und die Wurzel).
Diese interessanten Effekte aus der Forschung legen eigentlich nahe, Wallwurz nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich zu verwenden – so wie es in früheren Zeiten üblich war. Dabei stösst man allerdings unweigerlich auf die in der Pflanze enthaltenen
Pyrrolizidinalkaloide (PA). Sie kommen in zahlreichen Heilpflanzen in unterschiedlicher Menge natürlich vor und sind eine grosse Herausforderung für die Hersteller von Naturheilmitteln (auch für A.Vogel). Denn PA wirken sich negativ auf die Leber aus. Sie können zum Verschluss der Lebervenen führen, indem sie auf den Stoffwechselprozess einwirken. Das spürt man nicht sofort, es ist eine Langzeitwirkung. Fachgremien wie das HPMC (Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel) raten deshalb vom Verzehr von Wallwurz ab, sei es nun frisch (das Kraut als Salat) oder getrocknet (die Wurzel als Teedroge).
Eine Ausnahme hinsichtlich der innerlichen Anwendung bilden homöopathische Mittel. Die homöopathische Aufbereitung der frischen Wurzeln führt zu einer Reduktion der stofflichen Konzentration der PA im Arzneimittel; eine innere Anwendung ist folglich unbedenklich. Symphytum ist in potenzierter Form ein wichtiger Inhaltsstoff in diversen homöopathischen Komplexmitteln, die die Wundheilung fördern.
Fachleute sprechen sich in der Regel gegen den Einsatz von Wallwurzextrakt auf offenen Wunden aus. Doch es gibt Ausnahmen: wenn PA-arme Sorten (z.B. die Züchtung Symphytum × uplandicum NYMAN ‹Haras›, auch bekannt als «Trauma-Beinwell») verwendet werden bzw. Extrakte, aus denen in einem speziellen Verfahren Alkaloide entfernt wurden. In einer Doppelblindstudie mit 278 Patienten zeigte sich bei der Gruppe, deren frische Schürfwunden mit «Trauma-Beinwell» behandelt wurden, eine unerwartet deutliche Verbesserung der Wundheilung.
Vielversprechend scheint auch der Einsatz von PA-armen Wallwurzpräparaten zur Behandlung von Druckgeschwüren (Dekubitus), wie Studien zeigten: Fast 80 Prozent der Geschwüre heilten innerhalb von vier Wochen vollständig ab.
Anleitung: Wurzeln (vorzugsweise im Herbst) vorsichtig ausgraben, abbürsten und je nach Verschmutzung waschen, trockentupfen. In Scheiben schneiden und in Wasser 10 Minuten kochen, ziehen lassen. In ein sterilisiertes Behältnis abseihen. Kompresse mit der Flüssigkeit tränken und auflegen.
Empfindliche und entzündete Haut beruhigt eine Maske mit Wallwurzsaft.
Anleitung: Frischen, ausgepressten Saft aus Wallwurzblättern auf die Haut auftragen und 15 bis 20 Minuten einwirken lassen. Saft für die Maske: Acht Wallwurzblätter mit dem Mixer hacken und mit einer Tasse Wasser verrühren.
Keine Dauertherapie: Wallwurz-Zubereitungen, die Pyrrolizidinalkaloide enthalten, sollten nicht länger als maximal 10 Tage äusserlich zum Einsatz kommen.
Beachten: Wallwurzpräparate sollten nicht während der Schwangerschaft und Stillzeit und nicht bei Kindern unter zwei Jahren angewendet werden.
Zuletzt aktualisiert: 25-04-2022