Wenn schon Erwachsene nur ungern zum Arzt gehen und einen Klinikaufenthalt scheuen, wie sehr müssen sich dann erst Kinder davor fürchten! Eltern wissen oft ein leidvolles Lied davon zu singen, wie verängstigt ihre Kleinen vor allem im Krankenhaus sind, wo sie von fremden Menschen mit beängstigenden Geräten untersucht werden und die Vorgänge nicht begreifen können.
Um Mädchen und Jungen im Alter von vier bis sechs Jahren zukünftig besser auf den möglichen Ernstfall vorzubereiten und ihre Angst spielerisch abzubauen, konzipierten norwegische Mediziner Ende der 90er Jahre das «Teddybärkrankenhaus»: Dort nehmen Kinder die Elternrolle ein und lassen ihre Plüschtiere oder Puppen behandeln, so dass sie die Abläufe kennen lernen, ohne selbst betroffen zu sein.
Die Schweden folgten dem Beispiel, das in den letzten drei Jahren unter der Leitung der EMSA-European Medical Student’s Association auch in Grossbritannien, Polen, Kroatien, Portugal, Österreich und Deutschland Erfolge erzielte und zur Dauereinrichtung werden soll.
Autorin: Angelika Eder (4/03)
«Mein Dino hat Halsweh!» Der kleine Marko ist mit seinem Gummipatienten zum «Teddybärkrankenhaus»-Termin nach Wiesbaden gekommen. Einen Tag zuvor hatten er und seine Spielkameraden im Hort gemeinsam überlegt, welche Krankheit jeder seinem persönlichen Liebling zuweisen solle: Während einige Kinder sich für Bauch- oder Kopfschmerzen entschieden, wollten andere die Gelegenheit nutzen, einen abgerissenen Arm oder ein «gebrochenes» Ohr flicken zu lassen. Eine der Kindergärtnerinnen meint während der Behandlung augenzwinkernd, da sei es bei dem einen oder anderen Plüschpatienten über Nacht noch zu schwersten Verletzungen gekommen, und verweist auf einen Bären, dessen Innenleben nach unbeholfenen Schnitten an unterschiedlichsten Stellen nach aussen quillt.
Die Vier- bis Sechsjährigen stehen mit ihren lädierten Schützlingen in einem Zelt, in dem sie von Medizinstudenten der Mainzer Universitätsklinik in Empfang genommen werden. Sichtbar geniessen es die Puppenmütter und -väter, einmal die Rolle der Erwachsenen zu spielen. Für sie startet nun unter der Anleitung der jungen Leute in weissen Kitteln die gleiche Prozedur, die ein Kind im Krankenhaus durchläuft. So lernen die Knirpse die einzelnen Stationen innerhalb einer Klinik kennen, ohne selbst betroffen zu sein: Vor der Untersuchung werden Daten und Krankengeschichte erfragt und auf einem Krankenblatt eingetragen. Anschliessend erfolgt eine eingehende Untersuchung des Gummi-, Plastik- oder Stoff-Patienten: Die Studenten tasten den Kranken gründlich ab, hören ihn mit einem Stethoskop ab und besprechen die Behandlung mit «Mama» oder «Papa». Die stolzen Eltern dürfen das schallleitende Hörrohr des Mediziners auf Wunsch auch selbst einmal testen. Im Bedarfsfall ist ein Pflaster oder ein Verband anzulegen, damit beispielsweise jenem Teddy geholfen werden kann, dessen Bauch wunschgemäss wieder quietschen soll. Gegebenenfalls muss vorher noch eine «Röntgenaufnahme» erstellt werden: Dann landet das kranke Tier in einem Pappkarton, aus dem sich nach geräuschvollem Schütteln eine Aufnahme ziehen lässt: Mit viel Humor und Phantasie haben die Medizinstudenten der Mainzer Universität für diese Fälle echte Röntgenaufnahmen von Tieren und Puppen aller Art erstellt: Besonders anschaulich wird das Innenleben bei «sprechenden» oder «singenden» Patienten, deren technisches Innenleben sich optimal für eine Erläuterung innerer Verletzungen eignet. An der Aufnahme eines Tieres mit Reissverschluss lässt sich besonders eindrucksvoll demonstrieren, wie es im Bauch eines Kranken aussieht, der einen Gegenstand verschluckt hat.
Sollten grössere Eingriffe erforderlich sein, so landet der Kranke im Operationssaal, der in einem der beiden Zelte eingerichtet wurde. Dort lernt gerade Puppenmutter Sabrina, mit Kittel und Mundschutz ausgestattet, dass ihr Schützling unbedingt eine Narkose benötigt, will man ihm Schmerzen ersparen. Die Kleine schaut aufmerksam zu, wie der Stoffpatient eine Infusion erhält und ihm danach der Arm von einem Chirurgen wieder angenäht wird.
Mit ihrem operierten und fachgerecht verbundenen «Kind» auf dem Arm sucht sie schliesslich die letzte Station auf, die «Apotheke», um dort die verordneten Schmerztabletten abzuholen. Zu den umfunktionierten Gummibärchen gibt es ein paar Tipps zur häuslichen Pflege, einige Luftballons fürs Krankenzimmer und ausserdem die aufregende Ankündigung, abschliessend noch einen Rettungswagen erkunden zu dürfen.
Aus Erfahrung wird man klug – und weniger ängstlich.
Am nächsten Tag werden die Jungen und Mädchen ihre eindrucksvollen Erfahrungen als Eltern kranker Kinder ausführlich im Hort besprechen und sich später im Ernstfall an das eine oder andere – positive – Erlebnis im Teddybärkrankenhaus erinnern und weniger Ängste entwickeln.
Am nächsten Tag werden die Jungen und Mädchen ihre eindrucksvollen Erfahrungen als Eltern kranker Kinder ausführlich im Hort besprechen und sich später im Ernstfall an das eine oder andere – positive – Erlebnis im Teddybärkrankenhaus erinnern und weniger Ängste entwickeln.