Gesundheits-Checks
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Testen Sie Ihre GesundheitNeben dem Tag-Nacht-Rhythmus beeinflussen auch langfristige Zyklen Körper und Psyche: Krankheiten, Stimmung und Denken unterliegen einem saisonalen Wandel.
Autorin: Gisela Dürselen
Zugvögel kommen im Frühjahr genau dann aus ihren Winterquartieren zurück, wenn der Tisch der Natur für sie gedeckt ist. Das spektakuläre Liebesschauspiel des Glühwürmchens ist jedes Jahr pünktlich um die sogenannte Johannisnacht zu sehen, und vor der kalten Jahreszeit ziehen sich viele Tiere zurück oder legen noch schnell einen Wintervorrat an. Für tierische Geschöpfe ist die Anpassung an Jahreszeiten überlebenswichtig. Menschen hingegen schlafen und arbeiten heute in klimatisierten Gebäuden, sie schalten das Licht an, wann es ihnen gefällt, und ihr Nahrungsangebot im Supermarkt ändert sich ganzjährig kaum. Den Alltag bestimmen Jahreszeiten längst nicht mehr.
Dennoch gibt es Belege dafür, dass auch der Mensch als ein Produkt der Entwicklungsgeschichte dem Takt der Natur unterworfen ist und sein Organismus je nach Jahreszeit unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen hat. Ein Beispiel dafür ist die Haut. Im Sommer gedeihen im feuchtwarmen Klima des Schweisses Hautpilzinfektionen, im Winter ist das Problem oft Trockenheit, sagt Dr. Christian Greis, Oberarzt an der dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich. Typische Diagnosen für den Sommer seien Fusspilz und die Kleienpilzflechte Pityriasis versicolor, eine nichtansteckende Hefepilzinfektion, die durch übermässiges Schwitzen entsteht und vorwiegend junge Männer befällt. Im Winter hingegen habe die Haut damit zu kämpfen, dass es draussen kalt, drinnen zu warm und trocken sei. Darunter litten vor allem Handinnenflächen und Unterschenkel und damit jene Hautpartien, die über wenig fettende Talgdrüsen verfügen. Bei einer 2021 erschienenen irisch-schottischen Studie, bei der Proben von 329 261 Menschen der UK-Biobank auf mehrere Immunparameter hin untersucht wurden, ergab sich eine unterschiedliche Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Die meisten Atemwegsviren verursachen demnach Infektionen im Winter; Polio hingegen sei hauptsächlich eine Sommerkrankheit. Auch Infektionskrankheiten im Kindesalter wie Mumps, Keuchhusten und Windpocken seien saisonal, ebenso Rückfälle bei Autoimmunerkrankungen. Solche Muster wurden unabhängig von demografischen Lebensstil- und lokalen Umweltvariablen festgestellt. In weiteren Studien wurde entdeckt, dass auch Krankheiten wie Diabetes und Multiple Sklerose (MS) je nach Jahreszeit variieren. Eine 2020 in «Environmental Health» publizierte Übersichtsstudie fand sechs verschiedene Nachweise für einen Zusammenhang zwischen Temperatur und Jahreszeit mit der Diagnose für Schwangerschaftsdiabetes, wobei Schwangere im Sommer höhere Glukosewerte aufweisen als im Winter. Für Typ-1-Diabetes hingegen wurden im Winter höhere Werte festgestellt, und Multiple Sklerose wird offenbar in den Frühlings- und Sommermonaten schlimmer. Saisonal sind Winterdepression und Frühjahrsmüdigkeit, Sommergrippe und Sommerdurchfall – aber auch positive Effekte wie Frühlingsgefühle. Selbst gleiche Beschwerden können – je nach Jahreszeit – unterschiedliche Ursachen haben: Wer sich z.B. im Sommer eine Magen-Darm-Infektion einfängt, hat dies meist nicht wie im Winter dem Norovirus zu verdanken, sondern Bakterien wie Salmonellen, wenn an einem heissen Tag die Kühlkette unterbrochen wurde. Denn die Jahreszeit beeinflusst, wie aktiv gerade Krankheitserreger wie Bakterien und Parasiten und wie günstig die Übertragungsfaktoren sind, ferner wie empfänglich der Mensch als Wirt ist.
Eine Ursache liegt in den Zyklen des menschlichen Immunsystems – und das wiederum hat laut einer bereits 2015 in der Fachzeitschrift «Nature Communication » erschienenen Studie mit den Genen zu tun. Das britisch-deutsche Wissenschaftler-Team fand heraus, dass verschiedene Gene jahreszeitlich unterschiedlich aktiv sind und so das Immunsystem beeinflussen. Der Studie zufolge ist das Immunsystem von Mitteleuropäern im Winter aktiver als im Sommer. Weil sich das Immunsystem gegen Infekte mit Entzündungsreaktionen wehrt, sind folglich in der kalten Jahreszeit auch entzündungsfördernde Proteine besonders zahlreich. Risiko-Biomarker für Herz-Kreislauf-Probleme sowie für psychiatrische Störungen und Autoimmunerkrankungen zeigen laut der Studie im Winter ebenfalls höhere Werte als im Sommer; Krankheiten wie rheumatoide Arthritis verlaufen im Sommer meist milder als im Winter. Den Wissenschaftlern standen die Messwerte tausender Blutproben rund um den Globus für ihre Analyse zur Verfügung. Dabei zeigten sich regionale Unterschiede: In Gambia zum Beispiel war das Immunsystem der getesteten Personen besonders aktiv während der Regenzeit zwischen Juni und Oktober – genau zu jener Zeit also, in der krankheitsübertragende Moskitos besonders aktiv sind. Ihre Erkenntnisse führten das Forscherteam zu weiteren Fragen: Könnte etwa die Zunahme verschiedener Krankheiten in industrialisierten Ländern durch eine langfristige Störung des endogenen Jahreszyklus mitverursacht sein? Dass die Antikörperantwort auf eine Impfung je nach Tageszeit variiert, ist schon länger bekannt – aber sind möglicherweise Impfungen und Therapien auch zu bestimmten Jahreszeiten wirkungsvoller als zu anderen?
Eine spanische Studie von 2023 in «PLOS Biology» unterstreicht die Vermutung, dass Diagnose und Therapien davon profitieren könnten, wenn sie nicht abhängig von der Tageszeit, sondern auch an die Jahreszeit angepasst würden. Die Wissenschaftler der Universität Barcelona untersuchten dafür Proben von 932 Spendern und bestätigten den Befund von 2015, dass eine Reihe von Genen je nach Jahreszeit unterschiedlich aktiv ist.
Ebenfalls Anfang 2023 kam eine Meta-Analyse heraus, für die US-Amerikanische Wissenschaftler die Ergebnisse verschiedener Studien auswerteten und die Saisonalität von Hirnfunktionen und deren Rolle bei psychiatrischen Störungen untersuchten. Der Anlass dafür war, dass auch bei verschiedenen psychiatrischen Störungen saisonale Muster beobachtet wurden. Zwar seien bisherige Studien über saisonale Schwankungen der Hirnfunktion und -struktur sehr spärlich und teilweise klein, heisst es in der Analyse, dennoch gebe es starke Hinweise darauf, dass Tageslänge und Konzentrationsfähigkeit miteinander korrelieren. Einer kleinen Studie von 2016 aus Lüttich zufolge ist die Aufmerksamkeit am grössten im Sommer, das Gedächtnis hingegen am besten im Herbst. Die kognitiven Leistungen insgesamt sind laut einer Untersuchung der Universität Toronto im Spätsommer und Herbst am besten. Für diese 2018 erschienene Studie wurden 3353 ältere Probanden mit und ohne Alzheimer-Erkrankung untersucht. Weitere Studien verwiesen ausserdem auf einen Zusammenhang zwischen Immunstörungen und Veränderungen der Gehirnstruktur und -funktion: Demnach können entzündliche Biomarker auch zu einer schlechteren kognitiven Leistung führen. Wie genau jahreszeitliche Veränderungen, Immunsystem und Gehirn zusammenhängen, ist noch nicht umfassend geklärt; doch es wird vermutet, dass – wie für andere Säugetiere – auch für den Menschen Klima und Tageslänge eine zentrale Rolle spielen. Das Gehirn passe sich an Umweltbedingungen an, so die Wissenschaftler der Meta-Analyse. Möglicherweise erhöhe eine fehlende Anpassung der inneren Uhr an die ausgeprägten jahreszeitlichen Veränderungen in hohen Breitengraden die Anfälligkeit für bestimmte psychiatrische Störungen.
Dass Licht ein zentraler Taktgeber für die innere Uhr und damit auch für Psyche und gesunden Schlaf ist, bestätigt Dr. Mirjam Münch vom Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel. Bei einer saisonal affektiven Depression (SAD), auch bekannt als Winterdepression, spiele der saisonale Wechsel zu kürzeren Tagen im Herbst auch eine Rolle. Eine gleichzeitig verordnete Lichttherapie könne dabei – zusammen mit anderen Therapieansätzen – eine antidepressive Wirkung entfalten. Schon länger ist bekannt, dass Licht den Schlaf beeinflusst. Erholsamer und genügend Schlaf sei aber grundlegend für die Gesundheit, denn längerfristiger Schlafmangel senke nachweislich die Lebenserwartung. «Während des Schlafes geschehen zahlreiche lebenswichtige Vorgänge im Körper und im Gehirn, unter anderem zentrale Stoffwechselprozesse und die Entsorgung von Stoffwechselprodukten», so Dr. Münch. Eine sensible Gruppe, die besonders angewiesen ist auf ausreichend Schlaf, seien Jugendliche, da sich bei ihnen Körper und Gehirn noch entwickelten und der Schlaf auch für das Lernen eine zentrale Rolle spiele. Besonders häufig leiden jedoch ältere Menschen unter chronischen Schlafproblemen und einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Den genauen Ursachen und möglicher Abhilfe will die Chronobiologin mit einer im September 2022 angelaufenen Studie auf die Spur kommen. Dafür sucht sie mit ihrem Team noch Personen über 65 Jahre aus dem Raum Basel. Für eine Aufwandsentschädigung sollen diese verschiedene alltagstaugliche Massnahmen selbstständig zu Hause testen und werden dabei vom Studienteam betreut.
Kontakt/Infos zur Schlafstudie Basel:
Personen, die an der Schlafstudie der Universität Basel teilnehmen möchten, können sich unter der Telefonnummer +41 (0)77 414 04 79 melden. Weitere Informationen im Internet.
Schlaf wird, wie auch die Verdauung und wie Reaktionen auf Stress, von Hormonen beeinflusst – und diese wiederum unterliegen ebenfalls einem jahreszeitlichen Rhythmus: Menschen haben wie auch Tiere eine Art innere jahreszeitliche Uhr für grundlegende biologische Funktionen, vermuten Wissenschaftler des israelischen Weizmann Instituts of Science in Rehovot. 2021 veröffentlichten sie in der «National Academy of Sciences» (PNAS) eine Studie zu hormonproduzierenden Drüsen, die in Jahreszyklen wachsen und schrumpfen und demzufolge der Spiegel mehrerer Hormone differiert: Der höchste Wert von Wachstums-, Stoffwechsel- und Stresshormonen liegt laut der Studie im ausgehenden Winter bis Frühling. Der Unterschied betrage zwar nur einige Prozent – doch Hormone hätten weitreichende Auswirkungen, womit sich selbst kleine Veränderungen auf die Fitness des Organismus auswirken könnten. Den Wissenschaftlern stand ein Datensatz mit Millionen von Hormontests aus Krankenakten einer grossen israelischen Gesundheitsorganisation zur Verfügung. Die Werte zum Cortisolspiegel verglichen sie zusätzlich mit jenen von Probanden aus Australien, dem Vereinigten Königreich und Schweden. Dabei entdeckten sie, dass die Saisonalität von Hormonen mit dem Breitengrad des Wohnortes zunimmt und zugleich die Tiefs und Hochs zu etwas anderen Zeiten liegen. So erreichte die menschliche Fruchtbarkeit in Israel und anderen Ländern in ähnlichen Klimazonen ihren Höhepunkt im Winter/Frühjahr und verlagerte sich in höheren Breitengraden in den späteren Jahresverlauf.
Jahreszeiten spielen auch in asiatischen Heilsystemen eine Rolle. Oberstes Ziel ist es dabei, ein gesundheitsförderliches Gleichgewicht zu erhalten, denn der Mensch wird gesehen als eine Einheit von Körper und Geist, umgeben und durchströmt von Lebensenergie. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist diese Energie das Qi, das mit seinen entgegengesetzten Kräften Yin und Yang auf bestimmten Bahnen durch den Körper fliesst. In der altindischen Heillehre Ayurveda werden die unterschiedlichen Energiekräfte Doshas genannt. Die drei Doshas Kapha, Pitta und Vata bestimmen demnach die Verteilung der Körpersäfte und damit den Konstitutionstyp eines Menschen. Sind die Energien in Balance, fühlt sich der Mensch wohl. Dominiert eine Kraft die anderen, kann es zu Blockaden und Störungen kommen, die wiederum Krankheit auslösen können. «Zu den Faktoren, die diese Bioenergien beeinflussen, gehören die Jahreszeiten», erklärt die niederbayerische Ayurveda-Therapeutin Inka Schwarz. Kühles, wechselhaftes Wetter wie typischerweise im ausgehenden Winter und im Frühjahr hat Kapha-Qualität, sommerliche Hitze Pitta und kaltes, windiges Herbst- und Winterwetter Vata. Ein Ungleichgewicht dieser Energien könne sich in unterschiedlichen Beschwerden äussern: «Ein Zuviel an Kapha kann zu Übergewicht führen, Menschen mit Pitta-Überschuss schwitzen oft sehr schnell oder können unter Sodbrennen leiden, und wer zu viel Vata-Anteile hat, kann sich erschöpft fühlen oder unter Verdauungsbeschwerden leiden.» Mit einer auf die Jahreszeiten abgestimmten Ernährung lasse sich einem solchen Ungleichgewicht entgegensteuern: Bei wechselhaftem Frühlingswetter lässt sich laut Inka Schwarz die Kapha-Energie beruhigen durch leichte, trockene und warme Speisen. Die Bitterstoffe aus dem grünen Gemüse und den Gartenkräutern und auch Ingwer, Pfeffer und Chili bringen den Stoffwechsel in Schwung. Im Sommer sei von Chili & Co. abzuraten, ebenso von Alkohol und scharf gegrilltem Fleisch. Um das hitzige Pitta zu reduzieren, brauche es vielmehr Lebensmittel wie Salat und Blattgemüse mit Bitterstoffen, aber auch kühlende Milchprodukte wie Joghurt. Bei trockenwindigem Herbstwetter (Vata) rät die Ayurveda-Therapeutin zu nährendem Essen, zum Beispiel aus Wurzelgemüse in Suppen und Eintöpfen. Da sich mit dem Klimawandel auch das Wetter verändert, lassen sich solche Ernährungsratschläge jedoch weniger fest umrissenen Zeiten zuordnen, so die Einschätzung von Inka Schwarz. Umso wichtiger sei es, die Bedürfnisse des eigenen Körpers zu kennen, das aktuelle Wetter zu beobachten und sich entsprechend zu verhalten. Wer dem Überangebot im Supermarkt widersteht, keine Erdbeeren und Tomaten im Winter und zu schwere Kost im Sommer isst, sich stattdessen saisonal ernährt, macht sowieso meist intuitiv alles richtig: Bei kaltem Wetter stehen nahrhafte Eintöpfe auf dem Tisch, im Frühling spriessen im Garten entgiftende Kräuter, und im Sommer ist Erntezeit für süsse Früchte.
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