Pol, du hast Chemie studiert und in organischer/medizinal Chemie promoviert. Was führte dich in die Welt der Naturheilkunde bei A.Vogel?
Die Natur ist meiner Ansicht nach der beste Ort, um nach Substanzen zu suchen, die eine medizinische Anwendung finden könnten. Beispiele wie Taxol aus der Eibenrinde (Krebstherapie), Rapamycin aus einem Bakterium von der Osterinsel Rapa Nui (Organtransplantation) oder Atropin aus der Tollkirsche (Notfallmedizin) zeigen nicht nur, wie vielfältig natürliche Stoffe in der heutigen Medizin sind, sondern auch, wie unverzichtbar sie mittlerweile sind. Selbst das Grundgerüst von Aspirin – die Salicylsäure – stammt ursprünglich aus der Natur.
In meiner Promotion und meinem Postdoc lag der Fokus darauf, Naturstoffe aus Quellen wie Algen, Pilzen, Pflanzen und Mikroorganismen zu isolieren, ihre Struktur aufzuklären und synthetische Methoden zu entwickeln, um sie im grossen Maßstab herzustellen und ihre medizinische Anwendbarkeit zu testen.
Obwohl der Schwerpunkt damals stark auf dem chemisch-synthetischen Aspekt lag, stand ich – ohne es zu wissen – bereits mit einem Bein in der Naturheilkunde. Die Verbindung von wissenschaftlicher Präzision mit dem Potenzial natürlicher Wirkstoffe hat mich schon damals fasziniert und ist heute ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit.
Wie visionär gestaltet sich die Arbeit als Leiter der Produktentwicklung Pharma bei A.Vogel? Wie weit in die Zukunft richtet sich deine Arbeit? Welche besonderen Herausforderungen gibt es?
Wir entwickeln heute Produkte, die erst in mehreren Jahren auf den Markt kommen, das erfordert ein gutes Gespür für zukünftige Bedürfnisse, regulatorische Entwicklungen und technologische Trends. Eine besondere Herausforderung liegt darin, die Komplexität pflanzlicher Wirkstoffe, die als Vielstoffgemische vorliegen, mit den stetig steigenden Anforderungen der Behörden in Einklang zu bringen. Hier braucht es interdisziplinäres Denken und viel Erfahrung.
Was ist dir wichtig in deiner Funktion als Teamleiter? Wo setzt du Schwerpunkte?
Ich habe das Privileg, mit einem sehr erfahrenen Team zusammenzuarbeiten. Als Teamleiter ist es mir wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem Vertrauen, Eigenverantwortung und fachlicher Austausch im Mittelpunkt stehen. Mir liegt besonders am Herzen, dass jeder im Team seine Stärken einbringen kann und wir gemeinsam Lösungen entwickeln, die wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig praxisnah sind.
Was fasziniert dich an (traditionellen und neuen) Heilpflanzen, was macht die Forschung daran spannend?
Mich faszinieren die extrem komplexen chemischen Strukturen, die Pflanzen hervorbringen. Die organische Chemie lehrt uns, wie man Moleküle im Labor gezielt zusammenbauen kann – ein bisschen wie Lego® in Miniatur. Diese Wissenschaft ist heute sehr weit entwickelt.
Und dennoch: Die chemischen Verbindungen, die im sekundären Stoffwechsel von Pflanzen, Pilzen, Algen und Mikroorganismen entstehen, sind in ihrer Komplexität und Schönheit kaum zu übertreffen. Viele dieser Strukturen sind mit heutigen chemischen Methoden nur schwer oder gar nicht synthetisierbar. Die Natur ist uns hier durch Jahrtausende der Entwicklungsgeschichte weit voraus. Dies macht die Forschung an Heilpflanzen für mich so spannend.
Sport spielt eine grosse Rolle in deiner Freizeit – du bist im TRI Club Bodensee aktiv. Wie bist du auf Triathlon gekommen, was ist das Besondere daran für dich?
Sport war schon immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Bereits mit 12 Jahren habe ich begonnen, Radrennen zu fahren, das hat meine Begeisterung für Ausdauersport früh geprägt. Mit Anfang 20 bin ich dann zum Triathlon gewechselt, weil mich die Kombination aus Schwimmen, Radfahren und Laufen fasziniert hat. Triathlon fordert nicht nur Gesundheit, sondern auch gutes Zeitmanagement – eine Eigenschaft, die auch im Berufsleben hilfreich ist.
Heute nehme ich nur noch gelegentlich an Wettkämpfen teil, aber die Bewegung an der frischen Luft ist für mich unverzichtbar. Ob beim Laufen, Wandern, auf Hochtour oder mit dem Gravelvelo auf den Schotterpisten im Thurgau – draussen aktiv zu sein, ist für mich der perfekte Ausgleich.
Welche Interessen oder Hobbys pflegst du sonst, bleibt überhaupt noch Zeit für Müssiggang?
Ein gutes Buch, ein selbstgekochtes Essen oder ein Spaziergang mit den Liebsten – das sind die einfachen Dinge, die mir Ruhe und Inspiration geben.