Joggen scheint einfach – doch es gilt einiges zu beachten. Mit dem richtigen Laufstil schonen Sie ihre Gelenke, verbrennen überschüssiges Fett und holen das Maximum aus ihrem Körper heraus.
Autorin: Tine Bielecki
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten Bewegung in der Woche. Damit ist Sport mit gemässigter oder hoher Intensität gemeint. Ausdauertraining wird gerne als Schlüssel zur Gesundheit angepriesen. Insbesondere Laufen gilt als Volkssport. Schliesslich kann ja eigentlich jede und jeder immer und überall laufen. Alles, was man dazu braucht, sind Joggingschuhe. Stimmt das?
Ganz so einfach ist es nicht. Das wissen jedenfalls diejenigen, die sich von dem allgemeinen Hype um den Volkssport Laufen schon haben anstecken lassen. Wer einfach so drauflosläuft, spürt schnell Wehwehchen. Häufig überanstrengen sich Laufanfänger, weil sie zu schnell und zu unregelmässig laufen. Schmerzen, Krämpfe und Dauergereiztheit sind Anzeichen der Überforderung.
Und dann finden viele es schlicht und ergreifend langweilig, immer nur geradeaus zu laufen. Sie laufen, weil sie z.B. Gewicht verlieren wollen oder die gesunden Vorteile des Ausdauersports schätzen, haben aber gar keinen Spass am Joggen. «Im Fitnessstudio würde kein Mensch auf die Idee kommen, 5000 Mal die gleiche Übung für den Bizeps zu machen. Aber letztlich ist es nichts anderes, wenn wir 30 Minuten lang in gleicher Intensität auf einer asphaltierten Strasse laufen. Laufen ist eine monotone Bewegung. Es ist logisch, dass der ungeübte Körper mit Schmerzen oder Überlastungsschäden reagiert», erklärt Stefanie Mollnhauer. Die Sportärztin ist Autorin des Buches «Ausdauersport für Frauen». Dass Laufen überall als Volkssport für jeden angepriesen werde, setze viele Menschen unter Druck. Mollnhauer weiss, wovon sie spricht, sie war selbst Läuferin, ihre Marathon-Bestzeit: 2:50:08 Stunden. Für viele Körper sei Laufen nicht das Richtige, und das sei auch nicht weiter tragisch, erklärt sie.
Der Laufstil hat einen entscheidenden Einfluss auf die Belastung des Bewegungsapparates. Beim Joggen wirken je nach Geschwindigkeit Kräfte, die ungefähr drei- bis fünfmal so hoch sind wie das eigene Körpergewicht. Werden die auftretenden Stösse durch einen mangelhaften Laufstil unzureichend abgefedert, sind Knorpelschäden programmiert. Denn während Muskeln und Sehnen bei einer Fehlbelastung „aufschreien“ können, leidet das nervenlose Knorpelgewebe still vor sich hin und kann – wenn es einmal abgenutzt ist – nicht wieder neu gebildet werden.
Ein geschulter Läufer ist vor allem entspannt und locker. Idealerweise läuft man in aufrechter Haltung, das ist effektiv und schont die Gelenke. Die Schrittfrequenz ist erhöht und führt zu einer elastischen Bewegung, bei der die Füsse nahe dem Körperschwerpunkt aufsetzen.
Der Kopf sitzt aufrecht auf dem Oberkörper, der Blick richtet sich etwa zehn Meter nach vorn auf den Boden.
Die Arme schwingen locker und entspannt in Laufrichtung nach vorne und hinten. Unterarm und Ellbogen bilden beinahe einen rechten Winkel. Die Finger bleiben ganz locker, der Daumen liegt leicht auf dem Zeigefinger auf. Wer beim Laufen die Fäuste ballt, riskiert Verspannungen und beeinträchtig ein lockeres Armschwingen.
Das Becken soll leicht nach vorne gekippt sein, damit richtet sich der Oberkörper automatisch auf. Die Crux: Viele Einsteiger werden nicht richtig beraten. Laufanfänger wissen häufig nicht, dass etwa Minusgrade beim Laufen gefährlich werden können. Eine trainierte Lunge kann vermutlich problemlos Läufe bis minus 10 Grad aushalten, aber fällt das Thermometer darunter, schafft der Körper es kaum noch, die eingeatmete Luft richtig zu erwärmen. Beim Joggen wird rasch und tief eingeatmet. Die sehr kalte Luft gelangt dann bis zur Lunge und kann zu Reizungen führen. Anfänger sollten schon bei Temperaturen unter null achtsam sein.
Laufen sollte auch nur, wer sich völlig gesund fühlt und keine Anzeichen einer Erkältung oder ähnlichem zeigt. Ein Infekt ist nicht zu unterschätzen. Dann kann der Körper keine Anstrengung gebrauchen. Menschen mit Asthma oder anderen chronischen Atemwegserkrankungen sollten ihren Arzt fragen, bei welchen Temperaturen Laufen für sie ungefährlich ist.
Die Risiken beim Joggen gelten als minimal – und werden darum häufig unterschätzt. Auch Hitze belastet bei Ausdauersportarten an Land. Ab 30 Grad sollte, wenn, dann nur im Schatten gelaufen werden. Mittagshitze ist unbedingt zu vermeiden. Wichtig ist die angemessene Flüssigkeitszufuhr: Ein Körper, der viel schwitzt, braucht entsprechend mehr Wasser. Experten raten, ab einer Temperatur von 24 Grad Lauftempo und -dauer gegebenenfalls anzupassen. Anzeichen von Überforderung sind ernst zu nehmen.
Beim Runner’s Knee handelt es sich um eine leichte Beschädigung bzw. Überlastung des Knorpels unterhalb der Kniescheibe bzw. im Bereich der Kniescheibenspitze. Es kommt zur Reizung des Kniegelenks und zu Schmerzen, insbesondere bei stärkeren Druckbelastungen wie Hügelläufen oder Treppensteigen. Erste Priorität: die Schmerzen bekämpfen. Hören Sie auf zu laufen, kühlen Sie das Knie, verwenden ein schmerzlinderndes Gel.
Wenn nichts mehr zwickt, beginnt die eigentliche Therapie: Stärken und dehnen Sie gezielt Ihre Beinmuskulatur (muskuläre Dysbalancen oder Verkürzungen gehören zu den häufigsten Ursachen). Fehlstellungen können durch eine Optimierung der Lauftechnik, durch spezielle Laufschuh-Dämpfungssysteme oder Einlagen ausgeglichen werden. Auch die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels mit Glucosamin, einem wichtigen Baustoff der Gelenkknorpel, kann sinnvoll sein. Bei Schmerzen sollten Sie erst nach einigen Wochen Laufpause und entsprechendem Aufbautraining Ihr Pensum stufenweise wieder erhöhen.
Laufen sei gut, weil der menschliche Körper auf Bewegung programmiert ist und wir mit unserem heutigen Lebensstil zu viel sitzen und uns viel zu wenig bewegen, heisst es. «Wenn ich nun täglich 45 Minuten lang joggen gehe, aber ansonsten den ganzen Tag nur sitze, ist das Ziel einfach verfehlt», gibt Sportärztin Mollnhauer zu bedenken.
Leider denken zu wenige Laufanfänger an die typischen Belastungserscheinungen: Knieprobleme und Schmerzen an der inneren Schienbeinkante sind z.B. recht häufige Beschwerden (und das nicht nur bei Anfängern). Solche Beschwerden entstehen durch Fehlbelastungen, denn beim Laufen kommt es, wie bei fast allen anderen Sportarten auch, eben doch auf die richtige Technik an. Viele vergessen zudem, wie wichtig ein stabiles Muskelkorsett ist. Wer kein zusätzliches Krafttraining oder Stabilisationsübungen in seinen Trainingsplan integriert, wird als Läufer bald an seine Grenzen kommen.
Zudem laufen die meisten Hobbyläufer zu schnell. Um dem vorzubeugen, empfiehlt es sich, einmalig in eine Leistungsdiagnostik und eine Laufbandanalyse zu investieren. So kann ein optimaler Trainingsplan erstellt werden, und technische Fehler werden sofort entdeckt. Bei der Laufbandanalyse kann auch festgestellt werden, ob Einlagen benötigt werden; Dysbalancen werden entlarvt.
«Oft wird die Laufdauer pro Woche auch viel zu rasch gesteigert, statt ergänzendes Training wie Krafttraining, Yoga oder Dehnen hinzuzunehmen. Dann kommt es schnell zu Sehnenreizungen», so Sport-medizinerin Stefanie Mollnhauer.
Beim Laufen wirken sehr grosse Kräfte auf unseren Bewegungsapparat. Ein gutes Muskelkorsett kann das aushalten, aber wo Schwachstellen sind, entstehen eben schnell Beschwerden. Wenn man Arthrose hat oder Knorpelverschleiss und das Muskelkorsett zu schwach ist, gehen die Stösse aufs Gelenk. Viele Läufer verzichten aus Zeitgründen auf ein Warm-up oder das anschliessende Dehnen. Diese «Zeiteinsparungen» können allerdings zu Verletzungen führen. Muskel- und Sehnenverletzungen können genauso entstehen wie Gelenkprobleme. Deswegen ist es wichtig, dass sich Läufer nicht nur mit der richtigen Lauftechnik auseinandersetzen, sondern auch Kraft-, Mobilitäts-, und Beweglichkeitsübungen durchführen. Diese Übungen lassen sich übrigens auch wunderbar in das Lauftraining integrieren und sind nicht nur dazu da, um zusätzliche Kalorien zu verbrennen. Denn wer Verletzungen riskiert, riskiert auch lange Laufpausen. Warnzeichen des Körpers sollten in jedem Fall nicht ignoriert werden.
Sportärztin Stefanie Mollnhauer ist es wichtig, den Druck aus der Thematik zu nehmen. Es müsse nicht jeder Mensch zum Ausdauersportler werden. Viel gesünder und wichtiger wäre es, Bewegung in den Alltag zu integrieren. Möglichkeiten bieten sich dazu viele, so die Sportmedizinerin. «Viele Menschen behaupten, ihr Arbeitsweg könne nur mit dem Auto zurückgelegt werden. Das mag ja stimmen. Doch statt direkt bis vor die Tür des Büros zu fahren, kann man einfach irgendwo parken, von wo aus noch ein zehnminütiger Spaziergang nötig ist. Wer mit der Bahn fährt, kann bei gutem Wetter eine Station eher aussteigen.» Mollnhauers schönster Ratschlag für mehr Alltagsbewegung lautet: «Freunde persönlich aufsuchen statt nur digital.»
Wer mehr Bewegung in sein Leben bringen wolle, könne einfach mal den eigenen Tagesablauf unter die Lupe nehmen. Es sei nie zu spät, um etwas Neues zu beginnen. Das muss nicht unbedingt Joggen sein. Sportarten wie Federball oder Pilates machen vielen mehr Spass als Laufen. Es gibt viele Möglichkeiten: Schwimmen, Nordic Walking oder einfach etwas im Fitnessstudio ausprobieren, wie beispielsweise Zumba oder Aerobic.
Wenn einem Ausdauersportarten einfach keinen Spass machen: Alternativen, sich mit Freude zu bewegen, gibt es viele. Mollnhauer erinnert an (Tisch-)Tennis, fernöstliche Kampfkünste, Bergwandern und unzählige Arten von Wassersport.
Zuletzt aktualisiert: 10-01-2024