In der ersten Zeit nach der Geburt schützen daher mütterliche Antikörper die Säuglinge vor Krankheitserreger. Dieser sogenannte Nestschutz lässt nach etwa drei Monaten nach. Während dieser Zeit arbeitet der kindliche Organismus jedoch an einer eigenen Immunabwehr: Mit jedem Erregerkontakt lernt das kindliche Abwehrsystem einen neuen Keim kennen und findet einen Weg, diesen unschädlich zu machen. Bei erneutem Kontakt mit dem Erreger erinnern sich die sogenannten Lymphozyten, eine Untergruppe der weissen Blutkörperchen und das Immunsystem kann schneller und gezielter den Eindringling abwehren.
Zu einer Infektion kommt es also immer dann, wenn den Abwehrkräften der Erreger (noch) unbekannt ist. Das kindliche Immunsystem „braucht" daher Husten, Schnupfen und Halsweh. Nur auf diese Weise kann sich die Körperabwehr weiterentwickeln. In einer Umgebung, in der ständig auf perfekte Hygiene geachtet wird, kann ein Immunsystem nichts lernen.
Wenn Kinder eine Erkältung nach der anderen bekommen, machen sich Eltern oft grosse Sorgen. Das vermehrte Auftreten von einfachen viralen Infektionen, die ohne Komplikationen wieder ausheilen, sind jedoch kein Hinweis für eine Abwehrschwäche, insbesondere dann nicht, wenn das Kind häufig Kontakt zu anderen Kindern hat (z. B. in einer Kindertagesstätte). Eine erhöhte Erkältungsanfälligkeit, welche auf eine Immunschwäche hindeutet, besteht erst wenn
- bei einem Klein- oder Vorschulkind mehr als acht bis zwölf Infekte pro Jahr auftreten
- die Infektion trotz adäquater Therapie nicht ausheilt
- es häufig zu Rückfällen mit demselben Erreger kommt
- der Krankheitsverlauf schwerer ist als üblich
- das Kind regelmässig unter Komplikationen, wie z. B. Mittelohr-, Lungen-, Gehirn- oder Hirnhautentzündungen, leidet
- die Ansteckunskrankheit durch ungewöhnliche Erreger verursacht werden
- es zu hartnäckigen Pilzbeläge auf der Haut, den Nägeln oder im Mund kommt
- tief sitzende Haut- und Organabszesse häufig sind
- bleibende Schäden auftreten
- Immunmangelerkrankungen bereits in der Familie diagnostiziert wurden.

Unter dem Begriff „Immunität" versteht man die Unempfindlichkeit (Resistenz) eines Organismus vor äusseren Angriffen wie z. B. durch Viren, Bakterien oder Pilze. Immunität bedeutet also Schutz vor Infektionskrankheiten. Sie setzt sich aus einer angeborenen und erworbenen (adaptiven) Resistenz zusammen:
- Die angeborene Immunität basiert auf speziellen Eiweissmolekülen (Antikörper), die Krankheitserreger erkennen können. Diese werden von der Mutter über die Plazenta auf den Fötus übertragen und schützen diesen nach der Geburt vor Infektionskrankheiten. Die angeborene Immunität reagiert auf alle Mikroorganismen gleich, weswegen es auch als „unspezifisches Immunsystem" bezeichnet wird.
- Die erworbene Immunität ist die Folge eines Erregerkontakts, bei dem sich das Abwehrsystem aktiv mit den Krankheitsverursachern auseinandersetzen musste. Mediziner sprechen in so einem Fall von „Feiung". Zu einer sogenannten „stillen Feiung" kommt es, wenn sich der Körper im Stillen mit Bakterien und Co. auseinandersetzt. In beiden Fällen setzt bei erneutem Kontakt mit dem nun bekannten Erreger die Abwehrreaktion rascher ein. Die erworbene Resistenz besteht daher nur gegen den Erreger, der die Krankheit verursacht hat, weshalb sie auch als „spezifisches Immunsystem" bezeichnet wird.
Dieses Abwehrgedächtnis ist auch der Grund, weshalb Menschen an einigen Krankheiten, wie z. B. Masern, nur einmal im Leben erkranken. Die Widerstandsfähigkeit ist aber nicht zwingend an diese spezifischen Mechanismen gebunden: Das dem Masernvirus eng verwandte Virus der Hundestaupe beispielsweise verursacht beim Menschen zu keinem Zeitpunkt eine Krankheit. Diese Immunität beruht auf der angeborenen, unspezifischen Resistenz. Dabei wird der Erreger anhand bestimmter Oberflächenstrukturen als fremd erkannt und unschädlich gemacht. Der Mensch ist demzufolge gegen einige Krankheitserreger von Anfang an immun, gegen andere kann er Immunität erwerben.
Bei einer erhöhten Infektanfälligkeit aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Abwehrschwäche wird der Kinderarzt ein gut überprüftes Behandlungsverfahren einleiten. Bei einer normalen Entwicklung sind medikamentöse Massnahmen zur Immunstärkung nicht nötig, da das kindliche Abwehrsystem – ebenso wie andere Organe auch – wächst und ausreift. Das Immunsystem wird trainiert und für später gestärkt.
Immunstärkende Mittel können die Abwehrkräfte Erwachsender stärken, für Kinder jedoch gefährlich werden. Beispielsweise ist Knoblauch für Kinder, die jünger als 10 Monate sind, tabu. Kindern unter einem Jahr darf kein Honig gegeben werden. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte ebenfalls vor der ersten Gabe mit einem Kinderarzt besprochen werden.
Zur Stärkung des Immunsystems kommen neben einer mikrobiologischen Therapie, welche die geschädigte Darmflora wieder aufbauen soll, auch die Phytotherapie infrage sowie bestimmte Verfahren, wie z. B. die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die Biochemie nach Schüssler oder ernährungstherapeutische Ansätze. Die Homöopathie berücksichtigt neben den Beschwerden auch die spezifischen seelischen und konstitutionellen Voraussetzungen (die körperliche Anlage und psychische Struktur betreffend).
Vor dem Einsatz von Phytotherapeutika, also (Frisch-)Pflanzenextrakten, sollte man sich mit dem Kinderarzt besprechen. Hilfreich können sein:
Des Weiteren lässt sich die kindliche Gesundheit durch folgende, einfache Massnahmen unterstützen:
- eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr verhindert das Austrocknen der Schleimhäute und senkt so die Infektanfälligkeit. Empfohlen werden stilles Wasser oder Kräutertees.
- Vermeiden von trockener Luft z. B. durch Lüften oder durch das Aufstellen von Inhalatoren
- Sauna und Kneipptherapie – auch in abgeschwächter Form – härten ab. Voraussetzung ist allerdings, dass das Kind nicht zu klein ist und freiwillig mitgeht.
Angeborene (primäre) Immundefekte sind sehr selten – etwa ein Kind von 10'000 ist betroffen. Bei ihnen funktioniert das körpereigene Abwehrsystem nur unzureichend, weswegen es Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten nicht angemessen abwehren kann. Typisch sind:
- häufige Ansteckungen mit Bakterien und Viren
- wiederkehrende (rezidivierende) sowie tief sitzende Haut- und Organabszesse
- hartnäckige Pilzbeläge auf der Haut oder den Nägeln
- eine unzureichende Gewichtszunahme sowie ein beeinträchtigtes Wachstum
- vermehrtes Auftreten von ernsten Erkrankungen wie z. B. Lungen- oder Hirnhautentzündung, Blutvergiftung
- Graft-versus-Host-Reaktion Neugeborenen, welche sich durch eine unklare chronische Rötung am ganzen Körper, insbesondere an Handflächen und Fusssohlen äussert. Verursacht wird diese durch spezielle mütterliche Immunzellen im Kind.
Die Ursache eines angeborenen Immundefekts ist ein genetischer Fehler – die Abwehrschwäche wird also vererbt. So ein Defekt kann bereits unmittelbar nach der Geburt, aber auch erst später im Leben auftreten. Im Unterschied hierzu entstehen erworbene (sekundäre) Abwehrschwächen beispielsweise durch Ansteckungskrankheiten (z. B. Masern), Tumorerkrankungen (z. B. Leukämie) oder Medikamente (z. B. die das Immunsystem unterdrückenden Immunsuppressiva).
Bei einer Erkältung ist ein Arztbesuch ratsam, wenn
- die Temperatur eines Babys, das jünger als drei Monate ist, auf 38 °C oder höher ansteigt oder es hustet
- die Körpertemperatur eines Kindes 39 °C oder mehr (hohes Fieber) beträgt bzw. sie sich nach spätestens zwei Tagen nicht wieder normalisiert
- sich das Baby oder Kind über einen längeren Zeitraum weigert, etwas zu trinken
- es teilnahmslos wirkt
- der Allgemeinzustand schlecht ist bzw. das Kind sehr krank wirkt
- der Husten oder Schnupfen länger als eine Woche andauert bzw. sich verschlimmert
- Atembeschwerden, Heiserkeit oder einer schnelleren Atmung auftreten
- das Kind Schmerzen hat
- Ohrenschmerzen auftreten (bei Kindern unter zwei Jahren) oder diese länger als zwei Tage andauern
- Der Husten schmerzhaft ist oder sich bellend anhört
- sich der Schleim gelblich oder – durch Blutbeimengungen – rötlich verfärbt
- Beschwerden wie Durchfall oder Erbrechen dazu kommen
- sich ein Hautausschlag zeigt
- sich die Eltern unsicher fühlen
- der Verdacht einer erhöhten Anfälligkeit (siehe unter Symptome / Beschwerden einer erhöhten Infektanfälligkeit) besteht.

Während der Erkältungszeit in Herbst und Winter haben Viren und Bakterien Hochkonjunktur. Sie fühlen sich bei den niedrigen Temperaturen besonders wohl und vermehren sich schnell. Hinzu kommt, dass das nasskalte Wetter und die schwankenden Temperaturen das kindliche Immunsystem stark belasten. Das Heizen in den Wohnräumen reizt die Schleimhäute in den Atemwegen zusätzlich und trocknet sie aus. Die Folge ist ein schlechterer Abtransport von Krankheitserreger – die Kinder sind anfälliger für Ansteckungen. Psychischer und physischen Stress, Schlafmangel oder ein Nährstoffmangel schwächen das Immunsystem weiter und führen dazu, dass eine Entzündung die nächste jagt.
Die kindliche Gesundheit lässt sich durch einfache Massnahmen unterstützen:
- Stillen
- abwechslungsreiche Ernährung. Die enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe sowie Ballaststoffe stärken das Immunsystem.
- Vermeiden von übertriebener Hygiene, da dies die Entstehung von z. B. Allergien begünstigt
- ein 30- bis 60-minütiger Aufenthalt in der Natur pro Tag
- Rauchverzicht in Wohnung und im Auto
- das regelmässige Lüften der Wohnung
- Achten auf Schimmelpilzbefall
- ausreichend Schlaf, da sich im Schlaf das Immunsystem erholen kann
- Einhalten einer Raumtemperatur von 18 °C im Schlafraum
- Vermeiden von Stress, da Stresshormone die Abwehrkräfte schwächen
- Lebensfreude, Bewegung, frische Luft – denn Immunsystem und Psyche stehen in enger Beziehung
Je mehr sich Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren tagsüber bewegen, desto seltener erkranken sie an oberen Atemwegserkrankungen. Das ist Ergebnis einer Beobachtungsstudie, die in «Pediatric Research» veröffentlicht wurde. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche sich täglich mindestens eine Stunde lang mit mässiger bis kräftiger Intensität, am besten aerob (= mit Sauerstoff), körperlich betätigen sollten. Bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren ist dies mit etwa 10 000 bis 14 000 Schritten pro Tag verbunden.
Bereits während der Schwangerschaft können werdende Mütter einiges tun, um das Immunsystem ihres ungeborenen Kindes zu stärken, indem sie
- Stress vermeiden
- sich gesund und ausgewogen ernähren
- nicht rauchen
- keinen Alkohol trinken
- natürlich entbinden.

Basis für ein gut funktionierendes Immunsystem ist eine abwechslungsreiche ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse entsprechend der Ernährungspyramide. Denn nur mit dem richtigen Nährstoffmix kann das kindliche Immunsystem Krankheitserreger optimal abwehren. Für eine starke Abwehrkraft sind insbesondere folgende Vitamine und Mineralstoffe wichtig:
- Vitamine A unterstützt das angeborene sowie erworbene Immunsystem. Es ist an der Aufrechterhaltung von Haut und Schleimhäuten, den äusseren Barrieren gegen Erreger, beteiligt. Enthalten ist Vitamin A in tierischen Lebensmitteln wie Leber, seine Vorstufe, Beta-Carotin, kommt in farbigem Obst und Gemüse, wie Karotten, Spinat, Tomaten und Aprikosen, vor.
- Vitamin D unterstützt unter anderem die Makrophagen (Fresszellen) des unspezifischen sowie die Lymphozyten (Untergruppe der weissen Blutkörperchen) des spezifischen Abwehrsystems. Es entsteht durch Sonneneinstrahlung in der Haut. Es steckt vor allem in fettreichen Fischen, wie Hering oder Lachs, sowie Steinpilzen und Hühnereiern.
- Vitamin C schützt unter anderem die Zellen des Immunsystems, indem es freie Radikale abfängt (antioxidative Wirkung). Es aktiviert die Makrophagen (Fresszellen) und ist z.B. in Zitrusfrüchten, Paprika und Kohlgemüse enthalten.
- Zink verbessert unter anderem die Reifung bestimmter Immunabwehrzellen. Insbesondere Fleisch, Milch, Käse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten sind reich an dem Spurenelement.
- Selen ist sowohl für das angeborene als auch erworbene Immunsystem wichtig. Eine gute Selen-Quelle sind unter anderem Nüsse, wie z. B. Erdnüsse und Paranüsse, sowie bestimmten Fischarten, wie Hering und Thunfisch.
- Eisen verbessert die Aktivität der Makrophagen (Fresszellen) und erhöht die Anzahl unter anderem der zu den weissen Blutkörperchen zählenden Lymphozyten. Enthalten ist es in Fleisch und Fleischprodukten.
Der grösste Teil des Immunsystems befindet sich jedoch im Darm. Die Funktion dieser Abwehrzellen ist unter anderem von den Darm-Bakterien abhängig. Aus diesem Grund profitieren Kinder von einer gut genährten Darmflora. Ballaststoffe aus Vollkornprodukten oder Gemüse, sogenannte Präbiotika, dienen diesen Mikroben als Futter und sollten daher nicht auf dem Speiseplan fehlen. Ebenfalls unterstützen Milchprodukte mit lebenden Bakterien (Probiotika) und fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut ein starkes Immunsystem, indem sie für ein positives Darmmilieu sorgen.
Internet
https://flexikon.doccheck.com/de/Immunit%C3%A4t (Abruf: 12.03.2022)
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-342016/zwischen-zwei-welten/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.apotheken-umschau.de/familie/kindergesundheit/nestschutz-abwehrkraefte-fuer-neugeborene-793319.html (Abruf: 12.03.2022)
https://www.springermedizin.de/emedpedia/paediatrie/erhoehte-infektanfaelligkeit-bei-kindern-und-jugendlichen?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54671-6_100 (Abruf: 12.03.2022)
https://www.springermedizin.de/physiologische-infektanfaelligkeit-oder-immundefekt/9309316?fulltextView=true (Abruf: 12.03.2022)
https://www.aerzteblatt.de/archiv/208626/Primaere-Immundefekte-Wenn-ein-Infekt-auf-den-anderen-folgt (Abruf: 12.03.2022)
https://www.gesundheitsinformation.de/das-angeborene-und-das-erworbene-immunsystem.html (Abruf: 12.03.2022)
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/krankes-kind/erkrankungen/grippaler-infekt/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/erkaeltung-grippaler-infekt/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/nach-der-geburt-macht-das-immunsystems-eine-rasante-entwicklung-durch/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/babys-werden-mit-gedrosseltem-immunsystem-geboren/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.bdh-online.de/krankheiten-lexikon/infektanfaelligkeit-bei-kindern/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.swissmom.ch/de/krankheiten-baby-und-kind/kleine-wehwehchen/abwehrkraefte-staerken-18883 (Abruf: 12.03.2022)
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/12/01/warum-immer-ich-das-immunsystem-staerken (Abruf: 12.03.2022)
https://www.bzfe.de/ernaehrung/ernaehrungswissen/gesundheit/das-immunsystem-staerken/ (Abruf: 12.03.2022)
https://www.usz.ch/krankheit/immundefekte/ (Abruf: 12.03.2022)
PDF
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: Mein Kind hat ständig Infekte... (2018), https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/images/Elternseite/Elterninformationen/DGKJ_Infekte_18.pdf
Liese: Das infektanfällige Kind, Z. Allg. Med. 2003; 79:483 – 489. https://www.online-zfa.de/fileadmin/user_upload/Heftarchiv/ZFA/article/2003/10/10.1055-s-2003-43443.pdf
Bücher
Kayser, Bienz, Eckert, Zinkernagel: Medizinische Mikrobiologie, Thieme, 10. Auflage (2001)
Naturmedizin für Kinder, Zabert Sandmann, 1. Auflage (2005)
Mayatepek: Pädiatrie, Urben & Fischer, 1, Auflage (2007)