Erkrankungen des weiblichen Genitals werden aus Scham häufig nicht angesprochen. Warum es wichtig ist, Vulvabeschwerden rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Text: Andrea Pauli
«Frauenleiden» wird verschämt gemurmelt, wenn es darum geht, gynäkologische Beschwerdebilder zu benennen. Doch Klartext ist wichtig – zur Prävention, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken und um langes Leiden zu verhindern. Das gilt nicht nur für häufig vorkommende Erkrankungen wie z.B. eine Scheidenpilzinfektion. Noch immer viel zu wenig beachtet werden Erkrankungen der Vulva.
Die Vulva ist das äusserlich sichtbare weibliche Genital. Sie umfasst den Venushügel (behaarter Übergang vom Bauch zur Vagina), äussere und innere Vulvalippen (Labien), Klitoris, Klitorisvorhaut sowie die Scheidenvorhofdrüsen (Bartholin-Drüsen).
«Leider ist die Vulva kulturell immer noch ein Mysterium, selbst den meisten Frauen ist der Begriff nicht geläufig. Das kulturelle und sprachliche Defizit überträgt sich auch auf die Medizin: Beschwerden in diesem äusseren Genitalbereich werden oft fehlinterpretiert und nicht korrekt behandelt. Selbst Frauenärzte sind bezüglich Krankheiten der Vulva kaum ausgebildet. In puncto Aufklärung zum Thema Vulva und Vulvakrankheiten gibt es in der Bevölkerung wie auch in der Medizin noch vieles nachzuholen.» Prof. Dr. Andreas Günthert, Luzern
Krankhafte Veränderungen der Vulva können verschiedene Ursachen haben, z.B. Entzündungen oder Verletzungen. Manchmal steckt auch eine Infektion dahinter. Eine Infektion mit Humanen Papillomaviren etwa macht sich häufig durch Warzen im Genitalbereich bemerkbar. Mitunter ist eine Allergie oder eine Autoimmunerkrankung die Ursache für Veränderungen. Zu Beschwerden führt nicht selten aber auch eine übertriebene Intimhygiene mit Seifen, Duschgels etc. Ungünstig ist zudem enge oder synthetische Unterwäsche.
Erkrankungen der Vulva können sich durch mehr oder weniger starken Juckreiz bemerkbar machen. Ausserdem durch
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Noch immer gilt sie als seltene Krankheit der Haut des Genitals älterer Frauen, doch die Häufigkeit von Lichen sclerosus (LS) wird unterschätzt: LS betrifft Schätzungen zufolge eine von 50 Frauen, eins von 900 Mädchen (und einen von 1000 Männern). Nach der Menopause wird LS bei etwa einer von 30 Frauen diagnostiziert. Die chronisch entzündliche Hautkrankheit zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Sie ist weder ansteckend noch eine Geschlechtskrankheit, und sie hat auch nichts mit mangelnder Hygiene zu tun.
In der Regel verläuft sie über viele Jahre in Schüben. Da sie sich zunächst in unspezifischen Symptomen äussert, wird die Krankheit oft erst sehr spät diagnostiziert und richtig behandelt. Nicht selten verwechseln Ärzte Lichen sclerosus mit einer bakteriellen oder Pilz-Erkrankung. Experten – und das sind nicht selten Dermatologen (Hautärzte) – erkennen LS mittels Blickdiagnose. Im Zweifelsfall kann eine unter speziellen Kriterien durchgeführte Stanz-Biopsie Klarheit schaffen. Sichtbare Symptome sind:
2023 wurden die europäischen S3-Leitlinien zur sogenannten Goldstandard-Therapie überarbeitet. Sie schlagen bei LS primär eine Salbentherapie mit (hoch-)potenten Kortisonsalben vor. Damit wird der Krankheitsverlauf bei vielen Betroffenen verlangsamt, die Abstände zwischen den Schüben verzögern sich, oder es treten gar keine Schübe mehr auf. «Die effektivste Therapie besteht gemäss unserer zehnjährigen Erfahrung aus einer Schubtherapie (drei Monate) und einer darauffolgenden Erhaltungstherapie (anschliessend an die Schubtherapie, langfristig, lebenslang)», informiert der «Verein Lichen sclerosus Schweiz». Die Therapie sollte zwingend mit rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Produkten ergänzt werden.
Doch muss es unbedingt eine Kortisonbehandlung sein? «Fakt ist, dass die Krankheit Lichen sclerosus bei ungehindertem Verlauf der Haut mehr Schaden zufügt als das hochpotente Kortison, welches in der Schleimhaut der Vulva sehr rasch verstoffwechselt wird. Bei korrekter Anwendung und Einhaltung der Maximaldosis sowie sehr guter paralleler Fettpflege besteht kein Risiko für Überdosierung, und es werden eher selten Nebenwirkungen beobachtet», so die Erfahrung des «Vereins Lichen sclerosus Schweiz». Mit den Kortisonsalben sollen Spätfolgen wie Narben und Verengung des Scheideneingangs vermieden werden. Eine möglichst frühe Behandlung könne die Betroffenen vor solchen Schäden bewahren.
Da die Erkrankung als unheilbar gilt, bedeutet dies eine lebenslange Behandlung. Folglich dauerhaft auf Kortison setzen zu müssen, behagt vielen Frauen nicht. Doch was wären die Alternativen? Zunehmend propagiert wird die Therapie des vulvären Lichen sclerosus mittels Soft-Laser. Entsprechende Studien brachten bislang allerdings keine aussagekräftigen Erkenntnisse. «Aktuell ist die Datenlage zur Lasertherapie für eine Empfehlung ungenügend. Deshalb soll diese Therapie nur innerhalb von Studien angewendet werden», rät die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in einer Stellungnahme 2021. Man muss wohl im Einzelfall entscheiden, ob ein Laser-Einsatz sinnvoll ist.
Naturheilkundliche Behandlungen von Lichen sclerosus sollten Sie Experten zufolge möglichst nur zusätzlich, nicht jedoch als Ersatz für die von Ihrem Arzt verschriebene Therapie anwenden.
Chronische Erkrankungen – und dazu zählt auch Lichen sclerosus – stehen nicht selten im Zusammenhang mit einer Fehlfunktion des Immunsystems. Hier setzen komplementärmedizinische Behandlungsmethoden an. Ziel ist, die körpereigene Immunabwehr in die richtige Balance zu bringen. Das ist oft ein langwieriger Prozess, der das Leiden auch erst mal verschlimmern kann. Als immunstärkende Therapieformen gelten: Darmsanierung, Verbesserung Säure-Basen-Haushalt, entzündungshemmende Kost, Einsatz adaptogener Heilpflanzen, Ausgleich Vitamin-D-Spiegel, Einsatz von Echinacea purpurea.
Sitzbäder
Kühlende Sitzbäder (ca. 18 °C, weniger als 10 Minuten), z.B. mit Salbei-Extrakt, können das Wundgefühl lindern und sich positiv auf den Intimbereich auswirken. Man kann das Bad auch mit Rotkleeblüten, Wundklee und Ringelblume ansetzen. Je nach Schweregrad von Lichen sclerosus empfehlen sich drei bis sieben Sitzbäder pro Woche. Die Anwendung sollte nicht länger als sechs Wochen dauern. Nach jedem Bad ist eine rückfettende, feuchtigkeitsspendende Pflege aufzutragen.
Tägliche Pflegeroutine
Ätherische Öle
Einige Naturheilpraktikerinnen setzen bei Lichen sclerosus auf sanfte Ölmischungen, welche die trockene Haut im Intimbereich pflegen und damit das juckende und brennende Gefühl mindern sollen. Welche ätherischen Öle eingesetzt werden, ist abhängig vom individuellen Befund. Behandlungsbeispiel/Mixtur: 40 ml kaltgepresstes Mandelöl, 4 Tropfen Lavendelöl, 2 Tropfen Sandelholzöl und eventuell 1 Tropfen Teebaumöl (mögliche allergische Reaktionen vorab prüfen!), alles in Bioqualität. Die Betroffenen sollten die Öl-Mixtur vor dem Zubettgehen mit einem Wattestäbchen in dünner Schicht auf die betroffenen Stellen auftragen. Nach einigen Anwendungstagen legt man eine Pause ein, um der Haut Ruhe zu gönnen.
Hinweis: «Generell gilt, dass ätherische Öle in der Selbstanwendung nicht höher als 2–3 Prozent auf ein Trägeröl (...) gebracht und angewendet werden dürfen. Schwere Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen oder Verätzungen könnten die Folge sein», warnt Dr. Susan Zeun («Die Schlüpfer-Akademie.
Alles über Infektionen in der Intimzone ...» von Dr. med. Susan Zeun, Dumont, 2024)
Weitere Infos:
www.lichensclerosus.ch
www.lichensclerosus.de
www.lichensclerosus.at