«Galle» steht in der Umgangssprache sowohl für die Körperflüssigkeit, die als Verdauungshelferin dient, als auch für die Gallenblase, ihr Behältnis. Meist bemerkt man sie kaum, doch Gallensteine können eine schmerzhafte Erfahrung sein.
Autorin: Judith Dominguez, 07.16
Unbeschwert durchs Leben - denn die Galle bemerkt man kaum, doch wer Gallensteine hat, macht eine sehr schmerzhafte Erfahrung.
Wie es ihr Name schon ausdrückt, ist die Gallenblase ein Hohlorgan und das Auffangbecken für den Gallensaft, den die Leber produziert – täglich bis zu einem Liter. Das kleine Bläschen unter der Leber speichert und verdickt diesen Saft und hat die Funktion, die Gallensäure, ein wichtiges Endprodukt des Cholesterinstoffwechsels, genau dann an den Darm abzugeben, wenn dort Verdauungsprozesse im Gang sind.
Das Bläschen ist fest mit der Leber verbunden. Es hat einen Schliessmuskel, um das Auslaufen des Gallensaftes zu verhindern. Die Innenseite ist stark gefaltet und kann sich bei Bedarf ausdehnen. Selbstverständlich ist der Hohlraum mit einer schützenden Schleimhaut ausgekleidet, damit der Verdauungssaft ihr keinen Schaden zufügt.
Macht die Gallenblase keine Beschwerden, nehmen wir sie kaum wahr. Sie arbeitet, ohne grosses Aufsehen zu erregen; sie ist nicht einmal lebensnotwendig, denn ohne sie ist auch recht gut durchzukommen. Viele Wirbeltiere kommen ganz ohne sie aus, z.B. Pferde und Giraffen oder Vögel wie der Papagei. Dennoch hat die menschliche Gallenblase einen besonderen Platz in der Medizingeschichte.
Einige hundert Jahre vor unserer Zeitrechnung kam die Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie) auf. Vermutlich erstmals in Ägypten beschrieben, hat sich diese medizinische Theorie weit verbreitet und über Jahrtausende gehalten. Die Säftelehre ist uns von Hippokrates und Galen überliefert. Diese berühmten Ärzte gingen davon aus, dass die «vier wichtigsten Säfte» des Körpers, gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim, die Geschehnisse im Körper beeinflussen und für die Entstehung aller Krankheiten verantwortlich sind. Dabei ging man fälschlicherweise davon aus, dass die gelbe Galle in der Leber produziert werde, die «Schwarzgalle» hingegen im Hoden und der Milz.
Solange das Verhältnis dieser Säfte ausgewogen sei, so glaubte man, bleibt der Mensch gesund. Doch sobald ein Ungleichgewicht entsteht, stellen sich Krankheitszeichen ein. Die Aufgabe des Arztes war es, dieses Gleichgewicht mit Hilfe von Diäten, Operationen und Arzneien wieder herzustellen. Inzwischen wissen wir, dass der menschliche Körper und seine Krankheiten viel komplizierter sind – auch was Gallenblase und Galle angeht.
Galle besteht zu vier Fünfteln aus Wasser und ist leicht alkalisch, also eine Lauge. Die wichtigsten Bestandteile der zähen Gallenflüssigkeit sind die Gallensalze, die eine zentrale Rolle in der Fettverdauung spielen. Ausserdem enthält die Galle Enzyme, Lecithin und Cholesterin, Hormone und Gallenfarbstoffe.
Die Flüssigkeit, die in der Gallenblase zwischengespeichert wird, ist einerseits für die Fettverdauung wichtig, anderseits aber auch ein Abfallprodukt, das es regelmässig auszuscheiden gilt, will man sich nicht selbst vergiften. Das liegt am Bilirubin, dem gelben Gallenfarbstoff. Dieser entsteht beim Abbau der nicht mehr benötigten roten Blutkörperchen aus dem Hämoglobin. In hohen Dosen ist er giftig und färbt die Haut krankhaft gelb. Der Gallensaft enthält zudem eine grosse Menge Cholesterin.
Einige Körpersäfte enthalten grosse Mengen an Mineralstoffen und neigen deshalb dazu, sich zu harten Steinen zu verklumpen. Steine können sich in der Niere bilden, in der Harnblase, als Kotsteine im Darm oder als Gallensteine in der Gallenblase. Alle diese Steinleiden sind äusserst schmerzhaft. Haben die Steine einmal eine gewisse Grösse erreicht, verstopfen sie die Ausgangswege, und das hat fatale Folgen.
Der Transport von Cholesterin in der Galle findet in winzigen Klümpchen, sogenannten Mizellen, statt, die sich aus Lecithin, Cholesterin und Gallensalzen bilden. Das Mischungsverhältnis dieser drei Stoffe darf aber nur in sehr engen Grenzen schwanken – sonst funktioniert der Transport des Cholesterins
nicht. Bei zu grossen Schwankungen kristallisiert das Cholesterin aus, es bilden sich Gallensteine. Das Vorhandensein solcher kristalliner Verklumpungen nennen die Ärzte in der Fachsprache Cholelithiasis. Die Steine bilden sich unbemerkt im Hohlraum der Blase. Wandert der Stein aber in den Gallengang, sind kolikartige Schmerzen die Folge. Mit Hilfe starker Muskelkontraktionen versucht das kleine Organ, das lästige Hindernis loszuwerden und den Abfluss der Galle wieder frei zu bekommen. Ein häufiges Leiden, von dem oftmalig Frauen über vierzig betroffen sind, was vermutlich mit den Sexualhormonen zusammenhängt. Warum es zu einem Ungleichgewicht von Lecithin, Cholesterin und Gallensalzen kommen kann, ist noch nicht eindeutig geklärt. Allerdings gibt es bestimmte Risikofaktoren für Gallensteine, die sich teils recht erstaunlich anhören (siehe Box «Risikofaktoren Gallensteine: Die 6-F-Regel»).
In den meisten Fällen sind Gallensteine die Ursache für Entzündungen. Verstopfen die Steine nämlich den Abfluss des Gallensaftes, staut sich dieser in der Blase und die Blasenwände entzünden sich deswegen. Zudem reiben sich die spitzen Kristalle an der Schleimhaut und reizen sie. Der Arzt nennt das eine Cholezystitis. Die ersten Beschwerden treten in der Regel mit Mitte vierzig auf. Übelkeit oder Erbrechen sind die Folge, Fieber und höllische Schmerzen. Wein schmeckt gar nicht mehr köstlich, und fettige Speisen verursachen Ekel.
Gallenblasenleiden sind schmerzhaft und durchaus nicht immer harmlos. Wie andere Organe auch, kann die Gallenblase Krebszellen beherbergen, die von dort aus den ganzen Körper befallen. Heute ist nachgewiesen, dass chronische und immer wiederkehrende Entzündungen an einer Körperstelle das Krebsrisiko ebendort erhöhen. Gallenblasenkarzinome sind zwar selten, dafür umso heimtückischer. Im Innern der kleinen Blase bleibt ein bösartiger Tumor lange unbemerkt, und bis die ersten Beschwerden einen Arztbesuch notwendig machen, kann es schon reichlich spät für eine erfolgreiche Behandlung sein. Hat der Krebs bereits Metastasen gebildet, ist die Heilungschance schlecht. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich bei jedem vermutlichen Gallenleiden ärztlich untersuchen zu lassen.
Die ersten Anzeichen von Gallenleiden lassen sich oft schon durch das Abtasten des Oberbauches erahnen. Die geübten Hände eines Arztes ertasten so bereits leichte Schwellungen und Verhärtungen. Schmerzt die Stelle im rechten Oberbauch unter dem Druck der Hand, so ist dies ein Hinweis auf eine Gallenblasenentzündung.
Das allein genügt jedoch nicht. Die Blutuntersuchung gibt weiteren Aufschluss. Bei Gallenleiden sind der gelbe Farbstoff Bilirubin und die alkalische Phosphatase im Blut erhöht – das ist leicht messbar. Auch alle anderen Merkmale von Entzündungen sind im Blut nachweisbar. Gibt es Hinweise auf krankhafte Veränderungen an der Gallenblase, so werden diese mit Hilfe von modernen Diagnostikverfahren genauer unter die Lupe genommen. Dazu gehören Ultraschall und Computertomographie.
Gallenkoliken sind äusserst schmerzhaft und müssen schon deshalb sofort behandelt werden. Die Symptome lassen sich mit krampflösenden Medikamenten in Schach halten und Entzündungen mit Antibiotika behandeln. Verursachen Gallensteine immer wieder Beschwerden, wandern sie in den Gallengang und entzündet sich dieser mehrfach, so wird die Gallenblase in der Regel operativ entfernt. Dies auch deshalb, weil eben wiederkehrende Entzündungen an immer der gleichen Körperstelle das Krebsrisiko beträchtlich erhöhen.
Die vollständige Entfernung ist leicht möglich, weil sich auch ohne Gallenblase recht gut leben lässt. Nach der Entfernung ist nicht einmal ein Diätplan notwendig. Die Gallenflüssigkeit gelangt dann von der Leber eben ohne Zwischenspeicherung direkt in den Zwölffingerdarm. Allerdings ist es durchaus möglich, dass tierische Fette weniger gut vertragen werden als vor der Operation.
Kritische Mediziner sagen, die Gallenblase werde inzwischen zu häufig ohne die aufgeführten zwingenden Gründe entfernt. Während beispielsweise in Deutschland in den Achtzigerjahren etwa 80 000 Operationen stattfanden, sind es heute mehr als doppelt so viele.
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Wie bei allen Organen des Verdauungstraktes ist zur Vorbeugung von Beschwerden besonders auf die Ernährung zu achten. Alle schweren Speisen wie fette Schweinebraten und üppige Sahnetorten streicht man am besten gleich ganz vom Speisezettel. Pflanzliche Fette sind leichter verdaulich und bei Gallenleiden zu empfehlen. Für Salate und Gemüse kann man hochwertiges Olivenöl verwenden, zum Braten bei mittlerer Hitze Raps- oder Olivenöl. Sogar ein feiner Quiche-Teig lässt sich statt mit Butter mit Olivenöl zubereiten.
Wie immer ist für eine gut verträgliche, leichte und abwechslungsreiche Ernährung eine reiche Auswahl an Gemüse zu empfehlen. Für zwischendurch eignen sich alle Arten von Früchten, nur Nüsse enthalten relativ viel Fett und sind schwerer verdaulich. Für Fleischgerichte wählt man magere Stücke aus, und zur Abwechslung sind Fischgerichte mit Kabeljau oder Forelle eine gute Entlastung für die Gallenblase.
Ein Risikofaktor für Gallenleiden ist Übergewicht, so dass mit einer Gewichtsreduktion sehr effektiv vorgebeugt werden kann. Auch mehr Bewegung ist zu empfehlen. Blonde, hellhäutige Frauen sind, wie gesagt, häufiger von Beschwerden der Gallenblase betroffen, doch leider hilft es nicht, sich die Haare zu färben und sich in die Sonne zu legen!
Beschwerden der Gallenblase sind ein uraltes Leiden. Da man sie vor Tausenden von Jahren noch nicht operativ entfernen konnte, behalf man sich mit Heilpflanzen. Dieses Erfahrungswissen der frühen Ärzte und Heilkundigen ist bis heute gültig und allen zu empfehlen, denen die kleine Blase nur hin und wieder Schwierigkeiten bereitet. Die bekanntesten Gallen-Heilpflanzen sind die Artischocke, der Löwenzahn und die Gelbwurz (Kurkuma).
Artischocken sind ein erlesenes Gemüse, das von Schleckmäulern gern als Vorspeise, von Liebhabern der Mittelmeerküche bei jeder sich bietenden Gelegenheit und von Gallenblasenleidenden als Balsam verspeist wird. Artischocken fördern die Fettverdauung, schonen die Leber und wirken entzündungshemmend. Gegen Gallenblasenleiden gibt es sie auch als Pülverchen, Kapsel oder Extrakte, was die Einnahme ganz einfach macht.
Der heimische Löwenzahn ist ebenfalls verdauungsfördernd. Man kann die jungen Blätter als Salat, gepresst als Saft oder die Wurzel in Form eines Extraktes verwenden. Kurkuma ist im Handel ebenfalls als Mittel gegen Gallenbeschwerden erhältlich.
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Die wichtigsten Risikofaktoren beschreibt die «6-F-Regel»:
Weitere Risiken sind fettreiche Ernährung, erhöhte Cholesterinwerte, chronische Verstopfung, Mangel an Bewegung, Zuckerkrankheit, Störungen der Nebenschilddrüsen und die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn.