Jetzt im Hochsommer ist kaum zu übersehen, wie viele Menschen mittlerweile tätowiert sind. Ein Tattoo mag im Fall hübsch aussehen – die Gefahren dieser Hautverzierungen sind jedoch nicht zu unterschätzen.
Autorin: Andrea Pauli, 07.18
Es tut weh, es kostet so einiges – und es ist nicht ungefährlich: Tätowieren bzw. tätowiert sein ist ein Massenphänomen geworden, dessen Folgen jedoch alles andere als «cool» sein können. Der Bund warnte bereits 2014, dass schwere Infektionskrankheiten drohen, falls nicht hygienisch korrekt gearbeitet wird. Zudem können die Farben krebserregende Stoffe enthalten.
Derzeit ist erst wenig darüber bekannt, was gewisse Farbpigmente und andere Zusätze in Tattoofarben im Körper auslösen können. Daten über eine Langzeitwirkung im Körper fehlen. Einzelne Stoffe weisen aber auf eine Gefährdung hin.
Eine sogenannte Positivliste mit gesundheitlich unbedenklichen Farben existiert bisher mangels toxikologischer Daten nicht. Einige Farbpigmente oder andere Zusätze, bei denen ein Gesundheitsrisiko bekannt ist, sind in der HKV (Verordnung über Gegenstände für den Humankontakt) als verbotene Stoffe gelistet und dürfen nicht verwendet werden, informiert das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass solche verbotenen Stoffe in verwendeten Tattoofarben zu finden sind.
Insbesondere die schwarzen Farben sind schwer zu bewerten. «Diese Tuschen sind sehr komplex. Ihre Bestandteile und möglichen Reaktionen sind noch gar nicht komplett erfasst. Wir haben in schwarzen Farben viele sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe entdeckt, die als krebserregend gelten. In welchen Konzentrationen sie wie im Körper wirken oder reagieren, ist allerdings unbekannt», sagte Prof. Michael Landthaler, Leiter der Klinik und Poliklinik für Dermatologie an der Universität Regensburg, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er forscht seit Jahren auf diesem Gebiet.
Die Crux: Tattoofarben benötigen keine Bewilligung. Verantwortlich für die Sicherheit und die gesetzlichen Anforderungen der Tattoofarben sind in der Schweiz die Farbenhersteller und die Tätowierer – im Rahmen ihrer Selbstkontrolle. In Deutschland regelt zwar die Tätowiermittelverordnung, welche Stoffe nicht in den Farben enthalten sein dürfen, doch ein Zulassungsverfahren, das alle neuen Produkte prüft, gibt es nicht.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Man sollte sich ganz genau anschauen, zu welchem Tätowierer man geht und mit welchen Produkten dort gearbeitet wird.
Viele sind sich gar nicht darüber im Klaren, dass die Tattoofarbe nicht nur auf der Haut, sondern auch im Körper zu finden ist. Wolfgang Bäumler, Professor für Experimentalmedizin an der Universität Regensburg, stellte 2015 fest, dass nach sechs bis acht Wochen die Hälfte der ursprünglich tätowierten Pigmente verschwunden seien. Wohin? Die Pigmente und deren Abbaustoffe können sich, wie man heute weiss, z.B. in den Lymphknoten absetzen. Wurden Tattoos in der Nähe dieser «Filterstationen» angebracht, so sind diese häufig ebenso bunt wie die Tätowierung selbst.
Wissenschaftler des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) verfolgten mithilfe der Röntgenfluoreszensanalyse, was mit gängigen Inhaltsstoffen von Tattoo-Tinte passiert. So wanderte der in der Farbe Schwarz enthaltene Russ oder das Weiss-Pigment Titandioxid munter durch den Körper und reicherte sich im Lymphsystem an.
Was die Forscher überraschte: Die einzelnen Partikel aus der Tattoo-Farbe verändern ihre Form. In der Haut haben sie noch eine Grösse von mehreren Mikrometern – die Reise in den Organismus treten sie jedoch als Nanopartikel an. «Und das ist das Problem», erklärte Bernhard Hesse vom European Synchrotron Grenoble im Wissensmagazin «Scinexx». «Die Pigmente verhalten sich in Nanogrösse möglicherweise ganz anders als auf Mikroebene. Wir wissen nicht, wie sie als Nanopartikel reagieren.» Grund: Zerkleinert auf solche Grössenordnungen erhalten Stoffe und Verbindungen oft neue chemisch-physikalische Eigenschaften.
Übel kann sich auswirken, wenn Mütter sich während der Stillzeit ein Tattoo stechen lassen. Forscher warnen davor, dass die Gesundheit des Babys da-runter leiden könnte, z.B. weil die Muttermilch Farbpartikel enthalte. Problematisch kann es auch werden, bei tätowierten Menschen Untersuchungen oder Schmerzbetäubungen am Spinalkanal durchzuführen, da die Nadel durchs Tattoo hindurch in den Rückenmarkkanal und ins Nervenwasser gelangt.
Für die Wissenschaftler am BfR ist klar: Die potenziellen Risiken der Körperkunst können nach heutigem Kenntnisstand noch nicht abgeschätzt werden. Sie wollen darum in Zukunft weitere Gewebeproben tätowierter Personen untersuchen und erhoffen sich, Zusammenhänge zwischen den chemischen und strukturellen Eigenschaften von den in Tattoo-Tinte enthaltenen Substanzen und möglichen Nebenwirkungen zu erkennen.
«Wir brauchen grosse Studien, um herauszufinden, ob es beispielsweise vermehrt Leber- oder Blasenerkrankungen unter Tätowierten gibt», plädiert auch Prof. Landthaler.
... das Einbringen (Mikroimplantieren) von Farbpigmenten in die Dermis-Schicht der Haut mittels speziellen Nadeln und dafür entwickelten Tätowiermaschinen. Unsere mitteleuropäischen Vorfahren haben sich bereits vor Tausenden von Jahren die Haut mit Farbe markiert.
... hauptsächlich aus Farbpigmenten und Trägerflüssigkeit. Diese können Verdicker, Konservierungsmittel und andere Stoffe enthalten (Zusätze), aber auch krebserregende aromatische Amine (Spaltprodukte organischer Pigmente oder Verunreinigungen) sowie toxische Schwermetalle. Bis vor einigen Jahren waren Farben auf dem Markt, die Industriebestandteile für Autolacke enthielten.