Weltweit leben aktuell über 55 Millionen Menschen mit Demenz. Diese Zahl dürfte sich bis 2050 mehr als verdoppeln. Was lässt sich tun, um diese Entwicklung zu stoppen?
Text: Petra Horat Gutmann
Demenz ist keine neue Erkrankung. Bereits in den alten medizinischen Überlieferungen aus Ost und West wird die altersbedingte Demenz (von lat. «de mens» «ohne Geist») beschrieben. Völlig neu aber ist, dass sich die Demenz so massiv ausbreitet. Entsprechend fieberhaft sucht die pharmazeutische Industrie nach Wirkstoffen, welche die häufigste Form der Demenz – die Alzheimer-Erkrankung – bremsen könnten. Im Visier der Forscher stehen hauptsächlich die pathologischen Eiweissproteine, die sich im Gehirn der Alzheimer-Betroffenen aufbauen. Doch immer wieder verlaufen die Medikamenten-Studien im Sand. Ein Hauptproblem ist dabei, dass die Alzheimer-Erkrankung noch nicht abschliessend verstanden ist. Tatsächlich beginnen erste Veränderungen im Gehirn bereits bis zu 20 Jahre vor Ausbruch der Krankheit. Die Wissenschaftler arbeiten deshalb daran, diese Frühveränderungen besser zu verstehen.
Was fest steht: Die «Krankheit des Vergessens» kann auf unterschiedliche Weise ausgelöst werden. In seltenen Fällen durch einen Autoimmunprozess oder eine Infektion, eine Verletzung oder – wesentlich häufiger – durch kardiovaskuläre Durchblutungsstörungen. Denn das Blut spielt in der Versorgung der Hirnzellen eine Schlüsselrolle. Vielleicht haben Sie von der Metapher gehört, wonach Demenz ein «Dach mit 40 Löchern» sei, durch die es reinregne? Diese Metapher wird der Erkrankung nur teilweise gerecht. Zum einen, weil niemand weiss, wie viele «Löcher» bzw. Ursachen an der Demenz beteiligt sind. Vieles spricht dafür, dass es wesentlich weniger «Schwachstellen» sind. Zum anderen, weil bereits etliche Massnahmen bekannt sind, die der altersbedingten Demenz nachweislich vorbeugen. Wir sind also nicht ganz hilflos, sondern können die «Löcher im Dach» vielfach selbst abdichten: Wichtige Massnahmen sind:
Wichtig: eine neuroprotektive Ernährung. (Foto: 123RF/fotographic)
Und nun zu Ihrem Menüplan. Wie sieht eine hirnschützende bzw. neuroprotektive Ernährung aus? Es gibt einen weitgehenden Konsens darüber, dass der Schwerpunkt einer Brainfit-Ernährung auf Gemüse, Kräutern, Gewürzen, Beeren, Salaten, Vollkorngetreide und einer Portion Hülsenfrüchten pro Tag liegt. Bei den Beeren sind die Blaubeeren hervorzuheben, bei Gemüse und Salaten das Grünblättrige. Zudem die geballte antioxidative Kraft des Gewürzes Kurkuma und von Grüntee.
Ebenfalls wichtig sind kaltgepresste pflanzliche Öle und ein ausreichend hoher Omega-3-Anteil. Eine prima Quelle hierfür ist Algenöl. Zu einer neuroprotektiven Ernährung gehören weiter ein bis zwei tägliche Portionen Nüsse, Mandeln und Samen sowie zwei bis drei Früchte – aber alles ungespritzt. Letzteres ist enorm wichtig, weil eine Mittäterschaft der Umweltgifte bei der Entstehung von Demenz möglich ist.
Fazit: Ihre Nahrung – wie auch die Nahrung jedes Demenzpatienten – sollte frei von Agrochemikalien, Toxinen und Schwermetallen sein. Bioprodukte aus Europa schneiden bei Kontrollen durchs Band weg gut ab, im Gegensatz zu konventionell produzierten Lebensmitteln sowie Bioware aus fernen Ländern. Die moderne Ernährung, die sich in den letzten 70 Jahren auf der ganzen Welt etablierte, ist reich an industriell stark verarbeiteten, entzündungsfördernden Nahrungs- und Genussmitteln. Eine hirnschützende Ernährung dagegen soll möglichst frei von solchen Produkten sein, also frei von Industriezucker, Süssgetränken und Erzeugnissen aus raffinierten Getreidemehlen sowie arm an Fleisch.
Ganzheitliche Ansätze in der Demenztherapie sind wichtig. Weder einzelne Medikamente noch ein alternatives «Wundermittel» werden in der Lage sein, das Demenzproblem zu lösen. Es bedarf stattdessen eines systemischen Ansatzes, also eines Zusammenspiels von verschiedenen Massnahmen, welche der Krankheit im Verbund entgegenwirken. In diesem Sinne tut sich auch in der Früherkennung vieles; in der Schweiz z.B. mit dem Bau von Gedächtniskliniken für symptomfreie Menschen über 50. Ausserdem berücksichtigen laufende Alzheimer-Studien neben der neuroprotektiven Ernährung auch die Behandlung des Mikrobioms, Massagen, Aromatherapie sowie die akustische und visuelle Stimulation des Gehirns.
Im ayurvedischen Medizinklassiker «Charaka Samhita» wurde die altersbedingte Demenzerkrankung bereits vor rund 2000 Jahren beschrieben. Dort heisst es: «Alle psychischen und körperlichen Krankheiten sind verursacht durch Unwissen ..., während das Verstehen der Dinge zur vollständigen Freude des Körpers wie auch des Geistes führen.» Tatsächlich finden wir in der ayurvedischen Medizin reiche Kenntnisse über die Demenztherapie. Was lehren sie uns? Zunächst einmal, dass die Hirnfunktionen des Wahrnehmens, Erkennens, Denkens und Erinnerns durch die Vata-Energie im Organismus gesteuert wird. Eine chronische Vata-Unausgeglichenheit gilt als grundlegende Ursache aller Leiden, die zu Demenz führen. Deshalb legt die ayurvedische Medizin bei der Demenzprävention und -therapie grossen Wert auf die Harmonisierung von Vata.
Entspannungselemente aus der Ordnungstherapie können hilfreich sein. (Foto: 123RF/fizkes)
Im Zentrum steht dabei die Ordnungstherapie. Die moderne Ordnungstherapie ist eine multimodal zusammengesetzte Therapieform aus dem Gesamtkontext der klassischen Naturheilverfahren mit dem Schwerpunkt der Lebensstilveränderung und der dauerhaften Integration gesundheitsfördernder Elemente
aus den Bereichen Ernährung, Bewegung, Entspannung und Stressbewältigung in den Alltag des Patienten. Dadurch kommt es zu einer Steigerung der Selbstheilungskräfte des Körpers und zu einer gesteigerten Eigenkompetenz und Eigenaktivität beim Patienten.
Für Naturheilkunde-Pioniere wie Alfred Vogel oder Maximiliam Bircher-Benner war diese eine Selbstverständlichkeit. Wer aber denkt heute bei den möglichen Krankheitsursachen einer Demenz daran, dass das Leben der meisten Menschen im Normalfall während Jahrzehnten zu unruhig, zu angespannt, zu beladen und zu laut ist? Tag und Nacht Sinnesreize, Fernsehen, Computer, Handy, Kinder, Job und ein Mangel an täglicher Ruhe respektive Tiefenentspannung allerorten. Dieser moderne Lebensstil und die geistige Einstellung dahinter spielen gemäss der führenden Ayurveda-Medizinerin Dr. Vinod Verma eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Demenz.
Indisches Wassernabelkraut: (Foto: 123RF/narisdangklom)
Neben der Ordnungstherapie setzt die ayurvedische Medizin bei der Prävention und Therapie der Demenz auf eine Reihe weiterer, bewährter Methoden:
Die Nase als Zugangspforte zum Gehirn ist ein kluger, im Westen vernachlässigter Therapieansatz. Die Blut-Hirn-Schranke lässt Wirkstoffe aus dem Blut nur selektiv ins Gehirn und deaktiviert zahlreiche Arzneimittel metabolisch. In der Nase dagegen, genauer gesagt in der Regio olfactoria oder Riechschleimhaut, ist die Hirn-Blut-Schranke viel dünner. Deshalb können wir das Gehirn über die Nase am einfachsten beeinflussen. Sie inhalieren gerne ätherische Öle? Dann tun Sie damit nicht nur Ihren Stirn- und Nasennebenhöhlen etwas Gutes. Sie fördern auch die Sauerstoffversorgung, die Entspannung und die Funktion Ihres Gehirns. Es ist kein Zufall, dass der französische Naturheilkundler Dr. Jean-Pierre Willem das tägliche Inhalieren von ätherischem Rosmarinöl des Genotyps Cineol (Salvia rosmarinus) als «wichtige Massnahme» zur Prävention und Linderung der altersbedingten Demenz bezeichnet.
Gut fürs Gehirn: Inhalieren von Rosmarinöl. (Foto: 123RF/viktoriya89)
Unsere Nase hilft uns also, das Gehirn gesund zu halten. Das ist gut zu wissen, zumal es noch Jahre dauern dürfte, bis andere Therapien der Komplementärmedizin die Unterstützung der Krankenkassen finden werden. Unter ihnen beispielsweise die (ziemlich teure) Inuspherese, ein biophysikalisches Ausleitungsverfahrung (= eine Art der Blutwäsche), das Umweltnoxen, Patho-Proteine und weitere toxische Stoffe aus Körper und Gehirn entfernen soll (Studien zur Wirksamkeit fehlen). Therapeuten und Patienten wünschen sich mehr komplementärmedizinische Strategien zur Prävention und Behandlung der Demenz. Die positiven Effekte von Phytotherapie, Massage, Akupunktur, Aromatherapie, Musiktherapie, Tanz und Tai Chi sind bereits nachgewiesen.