Die altersbedingten Augenkrankheiten nehmen zu. Was tun, um die Sehkraft stark zu halten? Eine Möglichkeit besteht darin, unsere Sehorgane bestmöglich zu ernähren.
Text: Petra Horat Gutmann
Linda B. aus Thun war bestürzt, als sie vor zwei Jahren die Diagnose einer trockenen Makuladegeneration (AMD) erhielt. Die häufigste Augenerkrankung im Alter gilt als unheilbar. Doch immerhin kann man sie mit medikamentösen Injektionen direkt ins Auge verlangsamen, im Idealfall sogar stoppen. Seitdem kreisen Lindas Gedanken von früh bis spät sorgenvoll um ihre Augen. Nur an etwas denkt sie nicht: Dass schlechte Ernährungsgewohnheiten ein Risikofaktor für die Entstehung und Progression einer AMD sind. Linda aber kocht nicht gerne: «Zum Frühstück nehme ich einen Kaffee. Mittags esse ich zwei Eier mit Crackers. Im Übrigen verpflege ich mich hauptsächlich aus dem Kühlschrank. Gemüse und Salat esse ich selten», sagt sie.
Würden Lindas Augen «Wir haben Hunger!» rufen, wenn sie sprechen könnten? Fest steht, dass das menschliche Auge einen hohen Bedarf an Mikronährstoffen hat. Das zeigt ein Blick in sein Inneres: Im Kammerwasser des Auges ist die Konzentration an Vitamin C über zehnmal höher als im Blutserum. Die Netzhaut ist ein Vielfaches reicher an Betacarotin, Vitamin C, Vitamin E und der Omega-3-Fettsäure DHA als das Blut und andere Organe. In der Augenlinse und der Makula (der Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhaut) stecken gar bis tausendmal mehr Lutein und Zeaxanthin als in den Zellen anderer Organe. Die erwähnten Augennährstoffe sind machtvolle Radikalfänger bzw. Antioxidantien.
Nehmen wir z.B. Lutein und Zeaxanthin: Die beiden Carotinoide verleihen der Makula lutea bzw. dem «gelben Fleck» die orange-gelbe Farbe. Sie absorbieren schädliches blaues Licht und bestimmte Wellenlängen von ultraviolettem Licht. So schützen sie die Makula der Netzhaut vor pathologischen Gewebeveränderungen.
Oder die Omega-3-Fettsäure DHA: Als unerlässlicher Baustoff steckt sie in den Zellmembranen der Augen, hält sie geschmeidig und schützt vor Trockenheit. Das ist wichtig, weil trockene Augen krankheitsanfälliger sind. Weiter ist DHA an der Bildung des Sehpurpurs beteiligt. Dieser verwandelt Lichtimpulse in Nervensignale, ermöglicht also das Sehen. Ähnlich «baden» alle Strukturen des Auges in Mikronährstoffen, die nährend, schützend und regenerierend wirken.

Dass der Saft aus der (Vitamin-A-reichen) Rinderleber vor Nachtblindheit schützt, wussten bereits die alten Ägypter. Die medizinische Forschung kennt heute zahlreiche weitere Nährstoffe, die für die Gesundheit und die Funktion der Augen unerlässlich sind. Die meisten dieser Stoffe lindern oxidativen Stress und Entzündungen. Beide spielen eine Rolle bei der Entstehung altersbedingter Augenerkrankungen – so etwa bei der AMD, bei Glaukom, Katarakt und diabetischer Retinopathie. Ausserdem ist belegt, dass manche Augenerkrankungen mit einer zu tiefen Zufuhr an Mikronährstoffen einhergehen. So kann zum Beispiel eine zu geringe Zinkzufuhr zu Veränderungen der Augenlinse und zum Grauen Star beitragen.
Stärkt und schützt alle Strukturen des Auges. Ein Mangel kann das Risiko eines Grauen Stars erhöhen. Der Körper stellt Vitamin A aus Betacarotin selber her – und zwar jeweils nur so viel wie er benötigt. Auf diese Weise sind Vergiftungen mit dem fettlöslichen Vitamin ausgeschlossen.
Enthalten in: Süsskartoffeln, Karotten, Petersilie, Spinat und Fenchel sind gute pflanzliche Quellen für Vitamin A. Bei den tierischen Produkten ist’s der Lebertran.
Studien weisen darauf hin, dass Vitamin C das Auge der Linse vor einer Eintrübung bzw. vor einem Katarakt (Grauer Star) schützen kann.
Enthalten in: Früchten und Beeren mit viel Vitamin C und Betacarotin: z.B. in Acerolakirschen, Heidelbeeren, Preiselbeeren, Sanddorn(saft), Zitrusfrüchten, Aprikosen, Kiwis, Melonen, Orangen, Trauben, Zitronen.

Studien zufolge kann dieses Vitamin das Risiko einer AMD reduzieren oder deren Entwicklung verlangsamen. Es schützt vor oxidativem Stress und verbessert die Immunabwehr. Zu beachten: Im europäischen Winterhalbjahr steht ein Mangel an Vitamin D an der Spitze der statistisch erfassten Vitalstofflücken.
Enthalten in: Kaltwasserfisch mit Vitamin D und den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA: Enthalten in fettreichen Seefischen wie Lachs, Hering, Sardinen und Thunfisch.
Das bedeutendste fettlösliche Antioxidans. Es schützt alle Zellmembranen, insbesondere auch der Nerven, Muskeln und Augen.
Enthalten in: Pflanzlichen Ölen und Fetten (Weizenkeim-, Sonnenblumen-, Sojaöl), Nüsse, Mandeln, Getreidekeime, Vollkornflocken und -brot, Süsskartoffeln.
Die beiden Carotinoide sind starke Antioxidantien. Sie schützen die Netzhaut vor Gewebeschäden. Westeuropäer nehmen im Schnitt maximal einen Fünftel so viel Lutein und Zeaxanthin ein wie für die Prävention von Augenerkrankungen (z.B. der AMD) empfohlen wird.
Enthalten in: grünem Blattsalat wie z. B. Rucola, Romanasalat, Brunnenkresse und Spinat, Grünkohl, Karotten, Brokkoli, Bohnen, orangefarbenen Peperoni/ Paprikaschoten, Mangold u.a. Ausserdem in Eigelb. Die Zugabe von Öl verbessert die Aufnahme dieser Nährstoffe im Darm.
Beide Fettsäuren wirken antioxidativ, entzündungsmodulierend, neuroprotektiv und halten die Zellmembrane der Augen geschmeidig. Ausserdem ist DHA an der Bildung des Sehpurpurs beteiligt.
Enthalten in: Ungesalzenen Nüssen und Kerne mit Vitamin E, Zink, Ballaststoffen und der Omega- 3-Fettsäure ALA: Enthalten in Haselnüssen, Kürbiskernen, Mandeln, Pekannüssen, Pistazien, Sonnenblumenkernen und Walnüssen.

Enthalten in: Weizenkeimöl, Walnussöl, Sonnenblumenkerne, Haselnüsse, Olivenöl.
Das Polyphenol wird in der Natur von manchen (Nahrungs-)Pflanzen als Schutzstoff produziert. Es wirkt antioxidativ, entzündungshemmend und nervenschützend. Resveratrol hat nachweislich Einfluss auf verschiedene Zelltypen des Auges.
Enthalten in: Beeren mit Resrvatrol: v.a. in Trauben, Heidelbeeren, Preiselbeeren und Rotwein.
Transportiert die Vitamine A und E von der Leber zu den Augen und unterstützt in mehrfacher Hinsicht ein gutes Funktionieren der Augen.
Enthalten in: Grüne Smoothies mit Früchten, Blattsalaten, Gemüse und Küchenkräutern enthalten alle genannten Augennährstoffe. Die Zugabe einer Avocado liefert Vitamin E. Vollkorngetreide mit reichlich B-Vitaminen, Vitamin E und Zink: Hafer, Quinoa, Gerste, Reis, Buchweizen, Weizen u.a.
Ausserdem in Mikroalgen (vorab in Schizochytrium). Wer Fisch nicht mag, ist mit Algen bzw. dem daraus hergestellten Algenöl gut bedient. Vitamin D ist in geringen Mengen auch in Steinpilzen, Champignons, Hühnerei und Butter enthalten. Hühnereier (Bio) mit Zink und Lutein. Der Verzicht auf Hühnereier sollte mit dem Mehrverzehr von grünem Salat (luteinhaltig) sowie Bohnen und Linsen (beide zinkhaltig) kompensiert werden.
Lina B. hat inzwischen erfahren, dass das Auge ein Gourmet ist und Wert auf eine gesunde Ernährung legt. Kochen mag die 72-Jährige aber dennoch nicht. Sie hat sich deshalb ein Nahrungsergänzungsmittel besorgt, das Vitamin C, Vitamin E, Zinkoxid, Kupferoxid, Lutein und Zeaxanthin enthält (eine Formulierung der ARED-Studie). Dieses Präparat nimmt sie nun täglich ein. Macht das Sinn? Gemäss zwei grossen US-Studien, insbesondere der ARED 1, können hochdosierte Vitalstoffpräparate eine Verlangsamung der AMD bewirken. Sie halfen in der Studie jedoch nicht allen AMD-Betroffenen, sondern ausschliesslich Patienten mit intermediärer und später AMD.
Andererseits hat eine grosse Doppelblindstudie des Uniklinikums Leipzig gezeigt, dass die Supplementierung mit Lutein und Zeaxanthin bei Patienten mit einer trockenen AMD zu einer verstärkten Pigmentierung der Makula führt. Das ist wünschenswert, weil das Voranschreiten der Makuladegeneration mit einem Schwund der Makulapigmente einhergeht.

Für Menschen mit einer bereits diagnostizierten Augenerkrankung kann es somit sinnvoll sein, in Absprache mit dem Augenarzt Vitalstoffe einzunehmen. Eine kompetente Beratung ist in diesem Fall wichtig, weil die pharmakologischen Dosierungen deutlich über den behördlich empfohlenen Tagesdosierungen liegen. Und weil eine übermässige Einnahme von Vitalstoffen zu unerwünschten Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten führen kann: So fördert zum Beispiel eine zu hohe Zufuhr von Vitamin C die Bildung von Nierensteinen.
Eine zu hohe Zinkaufnahme kann die Aufnahme von Kupfer im Darm blockieren und zu Anämie führen. Zu viel Betacarotin in Pillenform geht bei Rauchern mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs einher (nicht aber Betacarotin aus der Nahrung).
Im Weiteren sind sich selbst führende Augenärzte einig, dass Vitalstoffpräparate alleine kein ausreichendes «Augenfutter» sind. Zum einen, weil viele weitere «Augenschutzstoffe» noch nicht ausreichend erforscht sind. Zum anderen, weil Studien belegen, dass Vitalstoffe aus natürlicher Nahrung vom Körper besser absorbiert werden als künstliche Supplemente. Denken wir auch daran, dass die Gesundheit der Augen eine komplexe Angelegenheit ist.
Die genetische Disposition spielt eine gewisse Rolle; für den Katarakt etwa wird sie auf 30 Prozent geschätzt. Eine noch wichtigere Rolle indessen spielen Umwelteinflüsse und der Lebensstil. So profitieren Augen und Sehnerv z.B. von körperlicher Bewegung. Wer also häufig spazieren geht, schwimmt, joggt, tanzt oder turnt, kümmert sich ganz konkret um die Gesundheit seiner Augen.
Der graue Star ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Bei dieser Erkrankung trübt sich die Augenlinse immer stärker ein, bis schliesslich kaum mehr Licht an die Netzhaut gelangt. Wer sich Vitamin-C-reich ernährt, kann dem grauen Star vorbeugen. Denn das Risiko für diese altersbedingte Linsentrübung sinkt dann um bis zu einem Drittel, wie eine Langzeitstudie mit knapp 350 weiblichen Zwillingspaaren aus Grossbritannien ergab.
Überraschend auch: Der Einfluss der Ernährung ist sogar doppelt so gross wie der der genetischen Veranlagung, belegten die Forscher erstmals. Zudem war die Linsentrübung bei denjenigen, die doch einen grauen Star entwickelten, weniger stark ausgeprägt und verlangsamt. Allerdings trat dieser Schutzeffekt nicht auf, wenn die Teilnehmerinnen einfach nur Vitaminpräparate eingenommen hatten. Die Forscher vermuten, dass die schützende Wirkung des Vitamins auf dessen antioxidativer Wirkung beruht. Eine gesunde Ernährung mit natürlichem Vitamin C erhöht den Gehalt der Linsenflüssigkeit und bremst so die Schädigung durch Oxidation.
Die Heizungsluft im Winter trocknet die Schleimhäute aus. Auch die Augen leiden. Darum gilt:
